Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
sich nur gehetzt. Sie verkürzte ihre Arbeitszeit im Café auf zwei Tage in der Woche, feilschte und bettelte um mehr Zeit im Atelier – sie bestach ihre Freundin sogar – und verbrachte beinahe jede wache Minute in der Scheune.
Obwohl sie hart arbeitete, gab es immer wieder ruhige Zeiten – wenn sie darauf wartete, den Brennofen öffnen zu können, oder die Glasur anrührte –, in denen ihre Gedanken zu der Nacht des Wahnsinns wanderten, die noch mehr und einen ganz anderen Wahnsinn ausgelöst hatte.
Sie fühlte sich eigenartig einsam. Sie hatte weder die Zeit noch die Kraft, unter Leute zu gehen, aber sie wollte sich jemand anderem anvertrauen als nur Selina. Sie hätte gern mit jemandem gefeiert, als sie ihr erstes Werk heil und ganz aus dem Brennofen holte, und jemanden gehabt, dem sie erzählen konnte, daß sie ein paar riesige Teller mit einem dicken, gewobenen Korbmuster zustande gebracht hatte. Und sie brauchte jemanden, der sie in die Arme nahm – nicht schwesterlich wie manche ihrer Freundinnen; nein, sie wollte eine feste, knochenbrechende Umarmung spüren, die in einem leidenschaftlichen Kuß endete und zu guter Letzt ins Bett führen würde.
Aber als Tristan, unglaublich charmant und am Boden zerstört, ein paar Tage vor der Messe im Café auftauchte, hatte Polly – trotz dieser ungewohnten, schmerzlichen Leere – die Umstände, unter denen sie sich zum letztenmal gesehen hatten, schon fast vergessen. Ja, sie hatte sogar Mühe, sich seinen Namen ins Gedächtnis zu rufen. Ihm, andererseits, bereitete es keinerlei Schwierigkeiten, sich an den ihren zu erinnern. Aber er war auch auf solche Dinge trainiert.
»Polly, du mußt mich hassen.« Er lehnte an der Theke, ganz der zerknirschte Lebemann, der tiefste Reue empfand. »Ich hätte mich schon früher bei dir melden sollen, aber ich war in Irland und habe dort für eine Sendung gearbeitet.«
Polly war immun gegen seinen verschwenderischen Charme und lächelte milde. »Natürlich hasse ich dich nicht, Tristan, warum sollte ich?« Plötzlich fiel ihr alles wieder ein. »Ich war ein bißchen gekränkt«, flunkerte sie. »Aber ich bin nicht nachtragend. Und außerdem bin ich damals abgehauen.«
Erleichterung zeichnete Tristans hübsches Gesicht. »Ich komme mir vor wie ein Scheißkerl. Ich wollte mich gar nicht so lange mit diesem Mädchen abgeben ... Bist du gut nach Hause gekommen? Ich hatte vor, dich anzurufen ...«
»Oh, alles war bestens.« So konnte man es auch ausdrücken.
»Ich möchte das wirklich wiedergutmachen.«
»Ach ja?« sagte sie.
»Ehrlich. Ich möchte mit dir ausgehen – am Samstag. Irgendwohin, wo es schön ist. Es gibt ein Restaurant am Fluß.«
Polly hatte schon davon gehört – das Restaurant hatte einen oder mehrere Sterne und wurde in jedem Reise- und Stadtführer erwähnt. »Hast du am Samstag schon etwas vor?«
Sie hätte »ja« sagen müssen, aber irgendein Teufel trieb sie, ihn ein wenig auf den Arm zu nehmen.
»Welchen Auftrag hast du in diesem Restaurant, Tristan?«
Er war beleidigt. »Es gibt keinen Auftrag, Polly.«
»Wie willst du dann einen Tisch bekommen? Das Lokal ist immer vollkommen ausgebucht.«
Er grinste, und sein Goldzahn blitzte verwegen. »Jemand hat seine Reservierung storniert. Komm mit, Polly. Nach dem Fiasko von neulich schulde ich dir ein Festmahl.«
»Ich denke darüber nach, Tristan.« Samstag war der Ausstellungstag. Nach dem Trubel auf der Messe könnte sie sicher eine üppige Mahlzeit gebrauchen, aber war Tristans überschäumende Gesellschaft nicht ein zu hoher Preis für weiße Trüffel und Wachteleier? Sie hatte keine Lust, sich sofort festzulegen. »Vielleicht habe ich zu tun. Kann ich dich anrufen?«
»Klar.« Er kritzelte seine Nummer auf die Rückseite einer Visitenkarte. »Unter dieser Nummer bin ich in Laureton zu erreichen – für den Fall, daß du meine Privatnummer verloren hast.«
»Fein.« Polly steckte die Karte in ihre Tasche. »Ich melde mich.«
»Vergiß es nicht.«
Sein Lächeln glühte so heiß, daß Polly um ihre Plastikschürze fürchtete. Er sah aus wie ein Kater, der die Maus zwischen den Krallen hatte und sich auf den ersten Biß freute. Hatte sie wirklich noch die Kraft, mit ihm umzugehen?
Das Telefon klingelte, als Polly an diesem Abend ihre Haustür aufmachte. Wenn Tristan es wagte, hier anzurufen und ihr in den Ohren zu liegen, würde sie ihm die Hölle heiß machen. Sie war zu müde, um endgültige Entscheidungen zu treffen. Sie ließ das Telefon
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