Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
läuten, während sie sich den Mantel auszog und den Stapel Zeitungen vom Stuhl nahm. Vielleicht war es ja auch ihre Mutter. Polly hatte schon Ewigkeiten nicht mehr mit ihr gesprochen und war sich ihrer Schuld bewußt, aber sie war viel zu erschöpft, um ihre Aktivitäten in einer Weise schildern zu können, die die Ängste ihrer Mutter beschwichtigen und ihre Neugier zufriedenstellen würde.
Es war Melissa. »Polly, kannst du am Samstag zu mir zum Abendessen kommen?«
Unmöglich. Auf gar keinen Fall. Viel zu kurzfristig. »Es tut mir entsetzlich leid, Melissa, aber ich kann nicht.« Sie würde lieber ein schmutziges Handgemenge in Tristans Auto in Kauf nehmen, als sich noch einmal Melissas sorgfältig ausgewählten Freunden zu stellen – besonders nicht nach einem anstrengenden Tag.
»Du gehst doch nicht aus, oder?« Melissa machte keineswegs einen so selbstbewußten Eindruck wie sonst, genaugenommen klang ihre Stimme eher verzweifelt.
»Ich stelle meine Keramiken tagsüber auf einer Messe aus, und abends gehe ich möglicherweise essen. Wenn nicht, dann werde ich todmüde ins Bett fallen.«
Melissa war offensichtlich in solchen Nöten, daß sie nicht klein beigeben konnte. »Ich sitze in der Klemme – ich habe David Locking-Hills Sohn Patrick übers Wochenende eingeladen, und ich zermartere mir schon die ganze Zeit das Gehirn, wen ich dazu einladen soll.«
»Aber ist Patrick nicht noch ziemlich jung?« Polly war sich nicht sicher, wieviel Melissa wissen konnte.
»Ein Teenager. Ich hätte ihn nicht hergebeten, aber ich habe David versprochen, ihn im Auge zu behalten, während er in Frankreich ist. Du weißt schon, ich soll aufpassen, daß der Junge nicht in Schwierigkeiten gerät, nachdem er schon aus der Schule geflogen ist. Deshalb habe ich ihn übers Wochenende eingeladen. Ich hätte nie gedacht, daß er wirklich kommt.«
»Aber er hat zugesagt?«
»Nur zum Abendessen und für die Nacht von Samstag auf Sonntag – Gott sei Dank. Und – nur unter uns, Polly – wahrscheinlich hat er die ganze Zeit nichts anderes gegessen, als die Tiefkühlkost, die die Haushälterin ihm vorsetzt, und das Geld, das David ihm dagelassen hat, für Alkohol ausgegeben. Ich denke, ihm kommt eine kostenlose Mahlzeit sehr gelegen.«
Höchstwahrscheinlich. Polly war überrascht, wieviel Melissa über ›die Jugend von heute‹ gelernt hatte, seit sie das letzte Mal über dieses Thema miteinander sprachen. »Oh, bestimmt irrst du dich.«
»Du würdest nie glauben, daß er Davids Sohn ist. Er ist ein echter Faulenzer und macht nur den Mund auf, wenn es etwas zu essen gibt. Wenn man ihn was fragt, gibt er nichts anderes als Grunzlaute von sich.«
Das konnte sich Polly lebhaft vorstellen. »Das klingt ja schrecklich. Ich weiß gar nicht, warum du ihn eingeladen hast.«
Melissa seufzte abgrundtief. »Ich habe das Gefühl, daß ich das David schuldig bin. Es ist so schwer für ihn, diese Jungs ganz allein großzuziehen. Und Angela war meine beste Freundin. Aber ehrlich gesagt –« Melissa erwachte aus ihren Träumereien von der pflichtgetreuen Selbstaufopferung –, »ich bereue es bereits. Deshalb dachte ich, ich könnte dich fragen, ob du mir hilfst, den Jungen ein wenig zu unterhalten.«
»Eine sehr schmeichelhafte Einladung ...«
»Oh, mach keine Witze, Polly. Mir fällt sonst niemand ein, den ich darum bitten könnte, und ich brauche jemanden, der mich unterstützt.«
»Was ist mit Sheldon? Ich meine, du brauchst doch nicht eine ganze Dinnerparty für den Jungen zu organisieren, oder? Koch ihm Shepherds Pie oder so was und laß ihn in der Küche essen.«
»Nein! Das wäre ja noch schlimmer! Es ist mir so unangenehm, wenn die Menschen keinen Ton von sich geben, und ich weiß sowieso nie, was ich zu jungen Leuten sagen soll. Du kommst so gut mit ihnen zurecht.«
»So gut auch wieder nicht. Und ich bin sicher, daß du dir ganz unnötig Sorgen machst. Du könntest dir eine Pizza oder irgend etwas kommen lassen und ein Horrorvideo besorgen, dann brauchst du dich nicht mit ihm zu unterhalten.«
»Das kann ich unmöglich machen! Was würde David dazu sagen?« Es war offensichtlich, wie wichtig sie es nahm, daß David eine gute Meinung von ihr hatte.
»Spielt das denn eine Rolle? Anscheinend meint er, daß Patrick alt genug ist, um allein zu Hause zu bleiben. Ich finde es sehr nett von dir, daß du den Jungen eingeladen hast, und David kann sich wohl kaum beklagen, wenn du ihm nicht einen großartigen Empfang
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