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Zum weißen Elefanten

Zum weißen Elefanten

Titel: Zum weißen Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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die Türe leise geöffnet hatte und Mrs. Simpson auf der Schwelle stand. »Blutverschmutzt?« wiederholte sie verwirrt. »Schmutziges Geld?«
    Das war mehr als Jane ertragen konnte. »Wenn Sie es so bezeichnen wollen. Ich finde Geld erfreulich, aber meine Mutter hat es verachtet. Wünschen Sie etwas, Mrs. Simpson, denn an dieser Türe ist ein Schild >Bitte klopfen<.«
    »Und wenn sie morgen früh geht, der Teufel soll sie holen«, fügte sie hinzu, aber nur zu sich selbst.
    »Unverschämtheiten sind keine Antwort, Miss Lee. Ich möchte wissen, wer dieser Mann ist, den ich an der Badezimmertüre getroffen habe. Auch wenn Sie entschlossen sind, aus Ihrer Pension den letzten armseligen Pfennig herauszuholen, müssen Sie doch irgendwo eine Grenze machen. Bestenfalls ein Landstreicher. Aber nicht nur das. Haben Sie die Fotos des Mörders gesehen (hier senkte sie ihre Stimme zu einem Zischen, wie Jane später sagte »wie eine ausgewachsene Gans, und das ist sie ja auch«)? Woher wissen Sie, daß Sie nicht aus seiner blutverklebten Hand Geld bekommen haben? Woher wissen Sie, daß Sie nicht einen Verbrecher in unsere Mitte aufgenommen haben?«
    »Es wäre mir lieber, Sie würden mir nicht mehr als eine Frage auf einmal stellen«, fuhr Jane sie an; ihre schlechte Laune hatte ihren Höhepunkt erreicht. »Natürlich habe ich die Fotos gesehen, und danach könnte ich wahrscheinlich Mr. Wilson oder Tony Carr oder Hugh Stevenson für den Mörder halten. Alle diese Fotos sehen gleich aus. Zweitens ist dieser Mann meines Wissens kein Verbrecher, aber ich werde die Polizei nicht kommen lassen, um jeden neuen Gast zu untersuchen. Drittens, und ich hoffe letztens, Mrs. Simpson, denn ich möchte zu Bett gehen, war das Geld von einer Verletzung an der Hand mit Blut befleckt. Aber lassen Sie mich darauf hinweisen, daß am Schauplatz des Verbrechens — wie es in Ihren Kriminalromanen heißen würde — kein Blut geflossen ist; und wenn es so gewesen wäre, hätte der Mörder seine Brieftasche jetzt nicht. In der Zeitung steht, daß er von der Polizeiwache geflohen ist, und ich kenne mich im Gerichtswesen genau genug aus, um zu wissen, daß die Polizei einem Gefangenen normalerweise seine schöne dicke Brieftasche nicht läßt.«
    Das war die längste Rede, die sie je in ihrem Leben gehalten hatte. Katherine starrte sie erstaunt an, aber sie hatte Mrs. Simpson nicht überzeugt. Wie die meisten langen Reden hatte sie überhaupt nichts genützt.
    »Ich werde morgen früh sofort abreisen«, sagte die wutentbrannte Frau.
    Jane erwiderte freundlich: »Warum nicht heute nacht? Dann laufen Sie nicht Gefahr, in Ihrem Bett ermordet zu werden.«
    Jetzt hatte sie gewonnen, denn sie wußte, daß Mrs. Simpson schrecklich nervös war und daß ihre unglückliche Tochter so sehr an Nachtblindheit litt, daß sie die Mutter schon oft hatte sagen hören, es wäre Selbstmord, mit ihr zu fahren. Außerdem war die Küstenstraße sehr kurvenreich und eng. Natürlich würde sie ihr Geld verlieren, aber Jane wünschte wütend, sie würden abreisen und Hals über Kopf ins Meer stürzen. Ihr war es ganz egal.
    Zum Glück sagte sie das nicht, sondern ließ Mrs. Simpson das letzte Wort: »Sofort morgen früh, und ich erwarte, daß das Frühstück pünktlich fertig ist.«
    »Alte Hexe«, sagte Jane, die normalerweise solche Wörter nicht gebrauchte, als die Tür sich geschlossen hatte.
    »Sie ist das abscheulichste Weib, das ich je gekannt habe«, sagte Katherine, die nach diesem Angriff wieder ganz zu Jane hielt, so daß ihre Furcht fast vergessen war. »Aber Jane, mein Schatz, bist du sicher?«
    »Natürlich bin ich nicht sicher. Wie sollte ich? Aber dieser ganze Unsinn mit dem blutverschmutzten Geld. Und der Arme mit seinen Blasen an der Ferse. Eine blödsinnige Geschichte. Wir benehmen uns wie Menschen in einem Gruselstück — Die Mausefalle , oder so ähnlich. Denk nicht mehr daran, Kit, und komm ins Bett.«
    Die Nacht verging völlig ungestört, aber beim Frühstück am nächsten Morgen herrschte eine ungute Atmosphäre. Mrs. Simpson hatte schon gepackt und war unten, als der Gong ertönte, guckte scharf auf ihre Uhr und überhörte Katherines »Guten Morgen«. Ein paar Minuten später betrat der neue Pensionsgast das Zimmer und sagte entschuldigend zu Katherine, er sehe leider sehr abgerissen ans und müsse sich wohl im Laufe des Tages neue Kleider besorgen. Mrs. Simpson brummte laut, und Katherine guckte verlegen. »Wir werden eine Werkstatt anrufen und

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