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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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lässig improvisiert werden – und fertig. In meiner Jackentasche hatte ich die rote Pille von Müller gefunden, die ich beim ersten Frühstück eingesteckt hatte: für Mut und Scharfsinn. Die nahm ich. Mutig und scharfsinnig, wie ich nun war, heckte ich einen Plan aus, und für die Umsetzung dieses Plans brauchte ich alle Haupt- und Nebenfiguren auf einem Haufen, miteinander versponnen, ineinander verkrallt, einander auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, wie auf meinem Strickmuster. Hier würde sich heute Nacht alles entscheiden, hier würden Allianzen geschmiedet, Geheimnisse gelüftet, Freundschaften und Feindschaften neu definiert werden. Hier würde ich heute damit aufhören, allen gefallen zu wollen, ich würde vielmehr herausfinden, wen ich mochte und wen nicht, wer für mich gut war und wer nicht, ich würde riskieren, mich unbeliebt zu machen, mich positionieren in der Gruppe meiner Nachbarn, Chefs und Gäste.
    Extra für Big Ben hatten wir uns etwas einfallen lassen, Gritli und ich. Wir hatten auch Veronikas Unterstützung dafür gebraucht. Wir würden sie alle schocken! Und sie kamen, sie waren alle angetanzt, ich war ja schließlich nicht mehr irgendwer. Sogar Frau Puvogel kam, die mich zwar aus der Wohnung hatte werfen wollen, deren »Liepplingszeitung« aber der Mittagskurier war, also hatte sie meinen Namen in großen Lettern auf Seite eins prangen sehen. Selbstverständlich wuchs ich in ihrem Ansehen, ganz zu Recht sogar, und nicht nur das, die Sache verlieh auch ihr Bedeutung, denn ich war ihr Mieter und würde es nun sicher auch bleiben. Ich war fest entschlossen, mich heute Abend mit Frau Puvogel zu versöhnen und sie mit allem mir zur Verfügung stehenden Nachdruck auf ihren Irrtum, mein Schwulsein betreffend, hinzuweisen.
    In meiner Wohnung hatten sich Grüppchen gebildet: David, Herr Puvogel und die Matrosen standen auf dem Balkon, als wollten sie sich den Fluchtweg in Davids Apartment offenhalten, und kauten Davids Kekse. Miss Marple, Hanna, Gritli und Klarhabbisch bereiteten in der Küche auf meinen Wunsch Hugos zu, wir anderen hatten uns um Big Ben gruppiert, dessen dröhnender Bass den Raum dominierte. David, der im Schottenrock erschienen war, winkte mir vom Balkon aus zu und warf einen Keks nach mir, den ich auch fing und aß. Er schmeckte etwas bitter, nach Kräutern. Eben erzählte Big Ben, dass er schon einmal in diesem Apartment zu Gast gewesen war, knapp ein Jahr war das her, Frau Puvogel nickte eingeschnappt, denn sie war damals nicht geladen worden, aber nun stand sie neben meinem Patenonkel wie eine Konfirmandin, und da die Anwesenheit ihres Exmannes und der anderen widernatürlich Geneigten sie stark zu irritieren schien, hielt sie sich ganz an diesen männlichen Mann, den bärtigen, wuchtigen Mann, den Mannmann, der lateinische Sprüche klopfte. Sie rieb sich an seiner Samtweste, hielt die Nase in seinen Pfeifenduft, koste sein Windspiel, zupfte jedes Wort von seinen Lippen, um es, sobald es draußen war, mit lautem Kichern zu feiern. Dabei wehte ihr bunter Schal im Frühlingswind, der vom (schwulen) Balkon her blies. Meine Party war der Höhepunkt ihres gesellschaftlichen Lebens, mein Rauswurf null und nichtig.
    Big Ben hatte sich umgehend über die Buttersemmeln hergemacht, hatte Whisky in den Kakao gegossen und mit mir angestoßen auf den phänomenalen Erfolg, denn der Mittagskurier mit meiner Titelgeschichte war bereits am frühen Abend ausverkauft gewesen, schenial. Aber er hatte die Tasse nur herumgeschwenkt und nicht getrunken. Hatte er Angst, ich wolle ihn vergiften?
    Bei ihr sei die Geschichte geschrieben worden, schaltete sich Barbie-Oma an dieser Stelle ein, in ihrem »gehobenen Nachtclub«, wie sie das »Aphrodite« nannte. Sie persönlich habe für mein Wohlbefinden gesorgt – an dieser Stelle zwinkerte sie mir peinlicherweise zu, und ich dachte an Müllers Anmerkungen zum »blinden Passagier« –, und der Herr von Rube würde natürlich den Sunsettarif für VIPs bekommen, wenn er beschlösse, mal vorbeizuschauen. Da brauche sie gar nicht erst ihren Chef zu fragen – sie nickte mit dem Hinterkopf zu Puvogel hin –, das könne sie durchaus selber entscheiden.
    Big Ben aber winkte ab. Aus dem Alter sei er raus. Hahaha. Nein, rief Frau Puvogel schrill, aus dem Alter sei man niemals raus, hahaha. O doch, und wie, sagte Barbie-Oma, irgendwann sei man schlagartig total raus, aber bei Herrn von Rube sei das noch lange nicht so weit, hahaha. Big Ben kniff die etwas

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