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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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ihr umgebracht zu werden, und der Angst, sie nicht mehr zu amüsieren.
    In ihr paart sich das Lebendige, diese schäumende Wut, wie sie nur die Jugend kennt, mit dem ganz speziellen Irren, wie es nur die Müllerin hat. Rennt sie im Nebenzimmer los, in seine Richtung, dann wird Müller angst und bange. Will sie ihn küssen? Will sie ihn schlagen? Sie ist hochexplosiv. Man weiß nie: Hat sie gerade eine Verschwörungstheorie oder einen Liebesanfall? Sie ist getrieben von ihrer Übertreibung. Und er will sie nicht anders. Er liebt es, wenn andere Menschen Gefühle haben, denn er hat selten welche, keine guten und keine schlechten. Die Müllerin jedoch hat von allem zu viel: zu viel Liebe, zu viel Zorn, zu viel Hunger, zu viel Kummer. Wenn sie sich schont, schont sie sich wie verrückt. Und wenn sie Schnaps trinkt, wird es nur noch schlimmer. Ihre Schreie, wie ihr Hals anschwillt, wie aus ihrem Mund Kröten kriechen, wie ihr Blick Verachtung gegen ihn schleudert und Tränen nur so aus ihr herausspritzen.
    Sie weint, wie andere atmen, regelmäßig, mit großer Selbstverständlichkeit, und er kann sich nicht erinnern, sie unter den Tränen je wirklich traurig gesehen zu haben. Überwiegend ist sie wütend, wenn sie weint, manchmal lacht sie auch dabei, aber stets ist der Anfall vorbei und vergessen, noch ehe die Tränen getrocknet sind.
    Um die Tränen beneidet er sie fast. Was für ein Ventil! Er selbst hatnur einmal im Leben geweint, eher versehentlich, beim Begräbnis der Mutter. Zwölf Jahre ist das her. Im Herbst, an ihrem Grab. Er hatte nicht gewusst, wie er schauen sollte, weil er gar nichts fühlte, wieder mal. Keinen Schmerz, keine Trauer, nichts. Nicht eine Erinnerung überwältigte ihn, ja, er sah nicht mal ihr Gesicht vor sich. Er hatte ihr Gesicht vergessen, kaum dass sie tot war.
    Er hatte sich dabei ertappt, die anderen Trauergäste abzuscannen. Frauen in schwarzen Schleiern hatten etwas Erregendes. War eine hübsche junge dabei? Oder wenigstens eine einigermaßen hübsche, einigermaßen junge? Oder wenigstens irgendjemand mit Titten? Dann liefen alle auf ihn zu, und da er umständehalber saß, mussten sie sich zu ihm herunterbeugen, um ihm ihr Beileid auszusprechen. Manche küssten ihn, manche schüttelten ihm die Hand, mittendrin aber wehte ihn ein Parfümhauch an, und er sah Marie, die Tochter seines Cousins Albert, die offenbar neuerdings kein Kind mehr war, sondern eine Frau, eine Frau in Schwarz, eine tiefdekolletierte Frau in Schwarz. Maries Anblick, ihr physischer Auftritt, ihre aus dem Nichts tretende Erscheinung überraschten ihn. Sie streckte ihm die Hand hin, beugte sich herunter. Ihr heißes Gesicht, ihr Atem, ihr Busen. Er spürte eine teuflische, eine gegengöttliche Kraft. Marie flüsterte ihm ins Ohr: »Ich werde sie so vermissen!«
    Und dieser Satz war es, der alles entzündete: Vitalität, hochgradige Erregung, Geilheit bis hin zur Atemnot. Eben hatte er sich noch seiner Gefühllosigkeit geschämt, jetzt traten ihm zu seiner Verwunderung, zu seinem Entzücken, Tränen in die Augen. Heiß wie Lava schossen sie aus seinem Innersten auf, er griff nach Maries warmem Hals, spürte ihren Puls, wie er pochte, drückte das verdutzte Mädchen an sich und ergoss sich schluchzend in sie.

SPINNENNETZ
    Ich lag im Bett und lauschte angestrengt auf Geräusche aus dem unteren Stock. Aber bis auf den jaulenden Hund und die Best-of-Elvis-CD, die unten in Endlosschleife lief, schien alles ruhig. Ich stand noch einmal auf. Ein Vorhang, der die Wand am Fußende des Bettes verhüllte, hatte meine Neugier erregt. Ich zog ihn leise zurück und erstarrte. Hinter dem Vorhang war ein Bücherregal mit nur einem Buch in hundertfacher Ausfertigung: »Eiskalt« von Felicitas Müller.
    Warum zum Teufel...? Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt. Eiskalt.
    Der Notizblock, auf dem ich mein Strickmuster nachgezeichnet hatte, lag im Halbschatten des Vollmondes, der durchs Dachfenster schien, seine Striche flimmerten und schlängelten und schienen sich zu bewegen. Das machte mir plötzlich Angst. Erst wusste ich nicht, was genau es war, das mir Angst machte. Es war doch nur ein Stück Papier, auf das ich malte. Ich kam ja voran! Es stand ja alles dort, ich musste es nur lesen. Die Intention des Strickmusters war es gewesen, mich zum Ziel zu führen. Ich wollte ein

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