Zur Liebe verurteilt
hinterlistigen Verstand etwas Ruhe! Wir werden wahrscheinlich einige Stunden vor Tagesanbruch haltmachen. Aber du mußt jetzt schon mal versuchen zu schlafen.«
Sie kuschelte sich an ihn, aber schlafen konnte sie nicht. Ihr Rücken lehnte an seinem kräftigen Oberkörper. Mit einem Arm hielt er die Zügel, mit dem anderen umarmte er sie. Seine Hand lag auf ihren Rippen. Sein Kinn hing über ihrer Stirn. In der kühlen Nachtluft fühlte sie seinen warmen Atem. Seine langen Oberschenkel, hart von den vielen Jahren im Sattel, mit kräftigen Muskeln, gestählt im Umgang mit widerspenstigen Pferden, preßten sich gegen ihre Schenkel.
Eigentlich hätte Dorie jetzt voller Angst sein müssen. Warum war sie nicht entsetzt über die verzweifelte Lage, in der sie sich befanden? Tatsache war, daß sie kaum Furcht vor dem morgigen Tag empfand. Für sie zählte nur das JETZT Die vergangenen Wochen waren die schönsten ihres ganzen Lebens gewesen. Bis dahin hatte sie sich allein von ihrem nüchternen Verstand leiten lassen. Alles hatte sie bis in die letzte Kleinigkeit geplant. Ihren Vater hatte sie studiert wie ein Lehrbuch vor dem Examen. So hatte sie gelernt, mit ihm auszukommen. Sie war vertraut mit seiner Tageseinteilung, seiner Lebensphilosophie - »Verschaff dir alles, was du kriegen kannst!« - und seinen Gewohnheiten. Mit Hilfe ihres Verstandes gelang es ihr, sich ihm anzupassen.
Auch den Mr. Hunter hatte sie nur durch logische Überlegung gefunden. Sie hatte ihn danach ausgewählt, was sie von ihm gehört und gelesen hatte. Und vor allem, weil sie für einen besonderen Auftrag einen bestimmten Mann brauchte.
Dabei aber hatte Dorie erfahren müssen, daß nicht alle Männer so berechenbar waren wie ihr Vater. Mr. Hunter hatte sich in jeder Weise anders verhalten, als sie angenommen hatte. Als sie ihm den »Heiratsantrag« machte, wurde er ärgerlich. Das hatte Dorie allerdings vorausgesehen: Männer schienen sich ja stets über sie zu ärgern. Dagegen hatte sie nicht erwartet, daß er mit der Zeit immer zärtlicher werden würde.
Und sie mochte es, wenn er so sanft mit ihr umging. Der Blick, mit dem er sie manchmal ansah, tat ihr gut. Komischerweise gefiel ihm das am meisten, was ihren Vater immer besonders zornig gemacht hatte: ihre frechen Bemerkungen. Ihren Vater hatte es geärgert, wenn sie etwas Kluges sagte oder tat, was ihm selber nicht eingefallen war. Ihr Vater klammerte sich an die Vorstellung, daß Frauen allesamt dumm wären - das verlieh ihm die Berechtigung, mit seinen Töchtern so streng und verächtlich umzugehen, wie er es gern tat.
Dorie schloß die Augen, lehnte sich mit dem vollen Gewicht an Mr. Hunter und überließ sich dem Gefühl, daß er ihr nahe war, sie beschützte und vor allem Unheil bewahren würde.
8
Übergib sie mir!«
Dorie wurde allmählich wach. Sie hatten haltgemacht, und Cole schob sie gerade in eine aufrechte Sitzhaltung. Zu ihrer Linken stand einer der schrecklichen Männer des Banditen-Chefs, der versucht hatte, ihren Ehemann umzubringen, und streckte die Arme nach ihr aus. Dorie war noch nicht ganz wach, und in diesem Zustand fiel ihr nicht gleich ein, welche Geschichte sie den Männern erzählt hatte. So hatte sie vorübergehend vergessen, daß sie behauptet hatte, Cole Hunter zu hassen. Sie reagierte rein instinktiv. Bei dem Anblick des widerwärtigen Mannes, der die Arme nach ihr ausstreckte, drehte sie sich um, legte Cole die Arme um den Hals und klammerte sich an ihn.
Winotka Ford war kein Geistesathlet, aber wenn Schwierigkeiten auftauchten, tat er meist das Richtige. Und er ließ sich ungern zum Narren halten. Er beugte sich über den Sattelknopf und sah Cole im Mondlicht mit unheilverkündenden Blicken an. »Was ist hier los?« fragte er leise in drohendem Ton.
Cole tat so, als wäre nichts Besonderes geschehen. »Ich habe die Gelegenheit ergriffen, mit ihr zu sprechen«, sagte er achselzuckend, während Ford ihn nicht aus den Augen ließ. »Schon möglich, daß du mit Frauen nicht zurechtkommst. Aber ich brauche nur drei Stunden lang mit einer allein zu sein, dann kann ich sie zu allem überreden.« Damit stieg er vom Pferd und half auch Dorie herab.
Es dauerte eine volle Minute, bis Fords Männer begriffen, was er meinte. Dann aber blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihm recht zu geben. Welcher Mann würde denn zugeben, daß er eine Frau nicht zu allem überreden konnte? Sie selber allerdings waren nur gewöhnt, zu fordern, zu drohen, zu erpressen und
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