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Zurück ans Meer

Titel: Zurück ans Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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um sie
     vorzubereiten«, fährt er fort. »Sie können jetzt zu ihr, wenn Sie wollen.«
    Wir folgen ihm zu dem Raum, in dem meine Mutter zaghaft und etwas verängstigt auf einem schmalen Untersuchungstisch liegt,
     umgeben von Assistenzärzten und Krankenschwestern, die ihren Blutdruck messen und ihr diverse Infusionen legen. Ihre Gesichtshaut
     wirkt wie Pergament. Ich greife nach ihrer Hand und beuge mich hinunter, um ihr einen Kuss zu geben, und die Kraft ihres Griffes
     sagt mir, wie dankbar sie ist, dass wir hier sind. »Das wird schon wieder«,sage ich und hoffe, damit alle Ängste zu beschwichtigen – ihre und meine.
    »Ich weiß, Liebes«, erwidert sie, »und was für ein netter Arzt, findest du nicht auch? Sind dir seine Schuhe aufgefallen?
     Er trägt Clogs. Stell dir das vor!« Ihre albernen Bemerkungen schaffen vorübergehend Erleichterung, und Robin und ich lachen.
     Als das geschäftige Pflegepersonal uns bittet, in den Flur hinauszugehen, ergreift Robin die Gelegenheit, sich zu verabschieden.
    »Granny, du bist jetzt in guten Händen. Ich glaube, es ist das Beste, wenn Joan und ich heimfahren«, sagt er zu meiner Mutter,
     ohne sich vorher auch nur mit mir abzusprechen. »Wir kommen morgen früh wieder.« Ich weiß, dass er eine Abneigung gegen Krankenhäuser
     hat und sein Verhalten oft ungewollt ruppig ist, aber ich habe seit Langem das Gefühl, dass ältere Menschen, vor allem wenn
     es die eigenen Eltern sind, einen Fürsprecher verdienen und brauchen, wenn sie sich in fremder Umgebung befinden. Meine Mutter
     so zu verlassen, bevor ihr ein Zimmer zugewiesen wurde, kommt mir gefühllos, sogar grausam vor. Gleichwohl winkt er ihr zu
     und fasst mich dann am Arm, um mich hinauszuführen. Sobald wir den Parkplatz erreicht haben, spricht er als Erster. »Ist dir
     aufgefallen, dass sie jedes Mal, wenn du fort bist, entweder bettlägerig wird oder ins Krankenhaus gebracht werden muss? Kommt
     mir psychosomatisch bedingt vor, wenn du mich fragst.«
    Er ist kein schlechter Mensch, und ich weiß, dass er müde ist, aber kann er nicht empfindsamer mit meinem Konflikt umgehen?
     Ich wollte sie vor dem Nachhausefahren wenigstens zu ihrem Zimmer begleiten. »Damit willst du doch wohl nicht andeuten, dass
     diese Krankheit nicht echt ist, oder? Eine Neunzigjährige wird nicht einfach so aufgeschnitten.«
    Zum Glück fahren wir mit getrennten Autos, daher wird dieser kleine Streit nicht fortgeführt. Aber er schürt die Flammendes Kampfes, den ich mit mir selbst ausfechte. Jederzeit für meine Mutter erreichbar zu sein, wie ich es in den letzten zehn
     Jahren war, ist überaus ermüdend geworden. Es begann nach dem Tod meines Vaters, als ich irrtümlich dachte, ich könnte die
     Leere ausfüllen, die durch sein Hinscheiden entstanden war, und den Schmerz meiner Mutter lindern. Daher übernahm ich, als
     unsere Söhne ausgezogen waren, die Betreuung eines weiteren Kindes – meiner Mutter. Nachdem bei ihr allmählich verschiedene
     Körperfunktionen versagen, es handelt sich um Inkontinenz, Schwerhörigkeit, nachlassendes Sehvermögen und, am schlimmsten,
     drohende Senilität, hat diese Rolle neue Ausmaße angenommen.
    Meine einst so schicke Mutter Tag für Tag anzuschauen, deprimiert mich. Ihre Haut ist grau geworden, ihre Augen trübe, ihr
     Haar verfilzt, ihr Gang unsicher. Die Frau, die immer farblich aufeinander abgestimmte Kleidung mit dazu passenden Schuhen
     und Schmuck trug, ist fast vollständig verschwunden, und an ihrer Stelle sehe ich eine alte Frau vor mir, die tagtäglich denselben
     Jogginganzug trägt und darauf wartet, von mir unterhalten zu werden. Ehrlich gesagt fällt es mir schwerer, mich um meine alternde
     Mutter zu kümmern als um meine ungestümen Enkelkinder, die zwar anstrengend sind, aber noch das ganze Leben vor sich haben
     und denen man gern zuschaut.
    Trotz unserer Schwierigkeiten haben wir eine vertraute Beziehung. Sie selbst hat sich um ihre beiden Eltern sowie die Mutter
     und die Tante meines Vaters gekümmert. Ich muss wohl angenommen haben, keine andere Wahl zu haben, als dasselbe zu tun. Doch
     die meisten Frauen aus der Generation meiner Mutter waren nicht berufstätig, wie es bei mir und so vielen meiner Generation
     der Fall ist. Sehen Sie, ich bin genau da wieder gelandet, wo ich vor drei Tagen angefangen habe – überwältigt von meinem
     vollen Programm, verstrickt in familiäre Verpflichtungen.
    Erst als ich Joan Erikson kennenlernte, begann ich zu begreifen, wie

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