Zurueck in der Hoelle
Gesicht staubte vor Wut. Sie dachte daran, wie ihre Mutter versucht hatte, sie vor dem König zu schützen. Wie sie drei seiner Soldaten die Hintern mit einem Kochtopf, einer Bettpfanne und einem Stuhl versohlt hatte. Wie sie sich ihrer Pistolen und Säbel bemächtigte und sich gerade auf den Rest stürzen wollte, als eine Übermacht von Pistolen sie eines Besseren belehrte und ihre Wut verdrängen ließ.
Und genau das tat Hannah jetzt auch. Sie sah die Soldaten des Königs, die sie nicht aus den Augen ließen und verdrängte brav ihre Wut. Sie gab dem Steckenpferdschoßhündchen die Hand und versprach vor den Augen seiner vertrockneten Mama, vor den Augen des Bischofs und des Königs von Frankreich, dass sie ihn heiraten würde. Ihn, Marquis Gagga. Und damit war sie verlobt.
Das heißt: eine ganze geschlagene Stunde war sie die zukünftige Marquise de Marseille, dann plumpste sie während des dritten Gangs des zu ihren Ehren veranstalteten Festmahls von ihrem Stuhl, schlüpfte unter den Tisch, kroch im Schutze der Tischdecke unter der 50 Meter langen Tafel hindurch, mischte sich unter die Königspudel, die der Mama von Gagga gehörten, und trabte auf allen vieren mit ihnen hinaus in den Park. Dort opferte sie schweren Herzens ihr Kleid, den Hut, die Schuhe und die Perücke und rannte als Gärtnerjunge verkleidet hinaus in die Stadt. In die Stadt und die Katakomben zu ihrer Mutter, der Diebin.
Doch dort suchten sie die Soldaten zuerst und deshalb floh sie aufs Land und über die Städte und Dörfer, bis sie irgendwann einmal Monate später den Ozean sah. Den Ozean, ja, und der Rest war ganz einfach. Einfach und schön. Ja-mahn, unfassbar schön waren die sieben Jahre, die diesem Tag folgten, bis zu dem Morgen nach der Flucht aus der Eiswand vor den D.R.Z.R.O.P.s, als Blind Black Soul Whistles Valashelm, der Whistle leider nicht mehr gehörte, neben dem Rochen aus dem Meer aufstieg.
Hannah lag auf dem seidenen Bett, umarmte ein Kissen und dachte an die Abenteuer, die sie mit Will erlebt hatte. Sie träumte von ihnen, weinte um sie und schlief schließlich mit ihnen ein.
»Hey, Hannah!« Sie glaubte, im Traum Wills Stimme zu hören. »Hey, Hannah, wach auf. Ich bin gekommen, um dich zu befreien. Ich hole dich aus diesem goldenen Käfig.«
»Ja«, lächelte sie. »Das hab ich gewusst. Ich habe schon lange auf dich gewartet.«
»Ja, Hannah, ich weiß, aber das Warten hat jetzt ein Ende.« Will erwiderte ihr Lächeln und sein Lächeln war schön. »Jetzt ist alles vorbei.«
»Ja«, seufzte Hannah und traute sich, ihre Augen wieder zu öffnen.
Es war immer noch Tag. Die Sonne schien flach durch die Jalousien und dort, wo gerade noch über ihrem Gesicht Wills himmelhellblaue Augen geleuchtet hatten, leuchtete jetzt – zwischen Daumen und Zeigefinger ihres Besuchs – der Ring mit dem Drachen aus Jade.
»Es ist vorbei«, hörte Hannah Salome seufzen. »Dabei ist er doch zum Greifen nah.«
Sie drehte den Drachenring zwischen den Fingern.
»Der Ring der alten Witwe. Der besten Piratin der Welt
»Ja, und der, der ihn will: Höllenhund Will«, flüsterte Ophelia von der anderen Seite des Bettes. »Es tut uns so leid, dass du heiraten musst. Aber wir werden dir helfen.«
»Ja, wir machen dich schön«, säuselte Salome wie eine Schlange. »Und wir sorgen dafür, dass dein kleiner Marquis diese hässlichen Dinger erst in der Hochzeitsnacht sieht.«
Sie stupste mit dem Fingernagel gegen eine der Warzen, die Hannah sich bisher erschwindelt hatte und die jetzt haarig und fett wie eine dicke rote Bohne aus der Spitze ihres Ellenbogens wuchs.
»Mädchen!«, zischte Ophelia und klatschte dabei scharf in die Hände. »Hier gibt’s was zu tun. Steckt sie in die Wanne und dann in ein Puderfass. Behängt sie mit Gold, macht sie zum Kunstwerk, zur Braut aller Bräute und bedeckt ihre Warzen, dort wo man sie nicht mehr anders verbergen kann, wie den Hals einer alten verschrumpelten Schachtel mit Perlen und Edelsteinen.«
»Kommt schon! Los, kommt!« Salome trieb sie zur Eile und sah zu, wie die Heerschar der Dienerinnen Hannah aus ihrem Bett zog, sie von ihren Kleidern befreite, ins heiße Bad steckte und sich dann zu sechst daranmachten, ihr mit ihren Wurzelbürsten auch noch den letzten abenteuerlichen Gedanken von der Piratenseele zu schrubben.
Ophelia und Salome wünschten Hannah viel Glück.
»Marquise de Marseille. Oh, das klingt wie Musik: Marquise de Marseille. Und genau diese Musik werden wir hören, wenn Will
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