Zurück in Virgin River (German Edition)
war.
Obwohl er sich Liz näher fühlte als Rick und sie auch besser kannte, dauerte es nicht lange, bis er eine gewisse Zuneigung zu Rick verspürte. Sie waren Kinder, die einmal durch die Hölle und wieder zurückgegangen waren.
Und obwohl sie einander liebten, waren sie in einer so schlechten Verfassung, dass sie es möglicherweise nicht schaffen würden, zusammenzubleiben. Jerry wusste, dass sie sich bereits getrennt hatten. Dennoch konnte er für sie nicht einfach alle Steine aus dem Weg räumen, indem er mit ihnen über die Therapie des jeweils anderen sprach. Es hätte seiner Berufsehre widersprochen. Wenn er gemeinsam mit einem Team von Therapeuten gearbeitet hätte, wäre es vermutlich klüger gewesen, einen seiner beidenPatienten an einen Kollegen zu überweisen. Und wenn Liz mit Rick verheiratet gewesen wäre, hätte er sich ebenfalls gezwungen gesehen, einen der beiden an einen Kollegen zu überweisen, weil er sich sonst in einen Interessenkonflikt begeben hätte.
Doch sie brauchten ihn beide. Und er war sich sicher, dass er sie ohne Vorurteile oder Vorbelastung therapieren konnte.
Jerry erhob sich von seinem Platz am Schreibtisch und setzte sich Liz gegenüber. Sie kam nun schon seit einigen Monaten jeden Freitag nach der Schule auf dem Weg nach Virgin River, wo sie ihrer Tante im Laden half, bei ihm vorbei.
„Wie war deine Woche?“, fragte er sie.
Sie zuckte mit den Schultern. „Nicht besonders“, erklärte sie. „Ich mache mir Sorgen, dass ich mich rückwärtsbewege.“
„Erzähl mir, wieso“, forderte er sie auf.
„Na ja, ich hatte mich ein bisschen vorbereitet. Wie ich Ihnen schon sagte, habe ich mich mehr auf die Schule konzentriert, damit Rick stolz auf mich ist. Und dann fand ich plötzlich Gefallen am Lernen. Ich finde es schön, gute Noten zu bekommen, wenn ich mir Mühe gebe. Und mir gefällt, dass ich in der Schule akzeptiert werde. Das hat mich ziemlich gut aufrecht gehalten, als Rick weder auf meine Anrufe reagiert noch zurückgerufen hat. Doch jetzt habe ich ihn wiedergesehen und mit ihm gesprochen. Am Freitagabend. Ich musste natürlich zu ihm gehen, obwohl er genau wusste, wo er mich findet. Er hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er Schluss machen will. Er ist mit mir fertig. Ich konnte die ganze Woche nicht mehr lernen. Und dabei habe ich demnächst Abschlussprüfung.“ Sie schluckte ein paarmal, als versuche sie damit, ihre Tränen in Schach zu halten. „Und plötzlich ist mir alles egal.“
„Was ist dir egal?“, fragte Jerry.
Sie zuckte die Achseln. „So ziemlich alles.“
„Heißt das, es betrifft nicht nur die Schule?“
Unruhig rutsche sie auf ihrem Stuhl herum. „So ist es, Jerry. Ich wusste es schon im Voraus. Ich weiß es, seit ich in Deutschland mit Jack diese Broschüren gelesen habe. Dass er mit mirSchluss macht, weil er glaubt, es sei besser für mich. Jedenfalls behauptet er das.“
„Kannst du dich an den genauen Wortlaut erinnern?“
„Dass ich mit ihm eine Katastrophe nach der anderen erlebt hätte und dass es immer seine Schuld gewesen sei. Das ist so ziemlich das Verrückteste, das ich jemals gehört habe. Aber ich habe alles, was Sie mir damals zu dem Thema in die Hand gedrückt haben, gelesen und mich auch im Internet informiert. Manche Soldaten, die verwundet werden, machen so etwas durch. Sie haben das Gefühl, an allem schuld zu sein, und glauben deshalb, dass sie keine Liebe mehr verdienen. Aber was zum Teufel soll das? Warum macht er mich denn nicht dafür verantwortlich, was alles schiefgelaufen ist, seit wir zusammen sind? Warum gibt er mir nicht die Schuld?“
Jerry lächelte ein wenig und legte den Kopf schief. „Wenn du dich erinnerst, haben wir schon einmal daran gearbeitet.“
„Hm, das haben wir.“ Liz richtete sich auf. „Ja. Ich habe mir früher immer die Schuld an allem gegeben. Ich dachte, ich hätte etwas mit dem Baby falsch gemacht. Etwas Falsches gegessen oder gemacht. Oder dass ich auf dem Rücken geschlafen hätte oder so. Ja.“ Sie lächelte traurig. „Stimmt. Aber ich habe nie mit Rick Schluss gemacht, weil ich dachte, ich sei nicht gut genug für ihn.“
„Auch das Thema hatten wir schon“, rief ihr Jerry ins Gedächtnis. „Jeder reagiert verschieden auf Krise, Trauer und so weiter. Rick muss sich an vieles neu gewöhnen, Dinge, die aus deiner Sicht möglicherweise sinnlos erscheinen. So wie er dich nicht verstanden hätte, wenn du ihm damals nach dem Tod des Babys gesagt hättest, es sei
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