Zurück in Virgin River (German Edition)
alles deine Schuld. Am wichtigsten ist, dass man sich selbst versteht.“
Liz verzog das Gesicht und wandte den Blick ab. „Das fällt mir momentan ein wenig schwer“, sagte sie.
„Hmm?“
„Ich fühle mich so verletzt. Und da bin ich aus der Stadt rausgefahren und habe irgendwo geparkt und geheult. Aber davorwar ich so sauer. Ich bin immer noch stinkwütend. Anstatt zu lernen, wie ich es eigentlich vorhatte, denke ich andauernd an unseren Streit und stelle mir vor, was ich ihm alles lautstark an den Kopf werfen könnte.“
„Könntest du mir diese Kassetten mal vorspielen?“, fragte Jerry.
„Was?“ Liz sah ihn verwirrt an.
„Was brüllst du, wenn du ihn in Gedanken anbrüllst?“
„Oh, Sachen wie: Für wen hältst du dich? Glaubst du vielleicht, du bist der Einzige, der sich mies, einsam und alleine fühlt? Wer fühlt sich denn wohl verlorener? Wer glaubt, dass du nicht gut genug bist? Meinst du nicht, dass ich beide Beine dafür gegeben hätte, wenn ich das Baby dadurch hätte retten können? So was eben. Ich habe wegen des Babys auch schwere Zeiten durchgemacht. Das müssen Sie wissen.“
„Ich weiß es. Hat er dir in dieser Zeit beigestanden?“, wollte Jerry wissen.
Sie antwortete nicht gleich. Doch schließlich sagte sie: „Absolut. Er hat alles nur Erdenkliche für mich getan, obwohl es ihn selbst genauso schlimm mitgenommen hatte. Das weiß ich. Nachdem das Baby geboren worden war, hielt er mich und das Baby lange im Arm. Er berührte seine kleinen Hände und fühlte, wie seine Tränen auf meine Haare tropften, während er den Kopf des Babys streichelte. Aber er hielt mich im Arm. Und er hielt zu mir. Er kam fast jeden Tag nach Eureka. Er rief mich mehrmals täglich an, um zu hören, wie es mir geht … und jetzt … will er nicht, dass ich für ihn da bin“, fuhr sie leise fort. „Er will alleine damit klarkommen. Er schafft es aber nicht.“
„Schafft es nicht?“
„Wir wollten miteinander sprechen und haben stattdessen miteinander geschlafen … Na ja, nicht so wie sonst. Er war etwas verrückt und hat mich hart an sich gedrückt. Ich habe versucht, ihn ein bisschen zu bremsen, ihn zu trösten, ihn zärtlich zu küssen, doch er war nicht mehr zu bremsen. Das irritiert mich … Er will zwar nicht, dass wir noch länger zusammenbleiben, andererseitskann er sich in meiner Gegenwart nicht beherrschen. Erklären Sie mir, warum.“
Jerry zögerte und fragte sie stattdessen: „Hat er dir wehgetan, Liz?“
„Körperlich natürlich nicht“, antwortete sie kopfschüttelnd. „Er hat sich sogar entschuldigt, während er mir die Hose runterzog. So als ob es ihm leidgetan hat, dass er so verzweifelt und gierig war. Denn aufgehört hat er auch nicht.“
„Aber du hast ihn auch nicht davon abgehalten?“
„Nein. Es war mir egal. Er war so lange weg, und er hat so viel mitgemacht, und außerdem habe ich ihn auch vermisst. Ich wollte ihn auch. Das war also nicht das Problem. Das Problem tauchte später auf, als er mir erklärte: ‚Siehst du, wir können nicht zusammenbleiben.’ Und ich fragte mich, was wir da gerade gemacht hatten. Wir waren doch zusammen. Dabei verstehe ich ihn sogar … weil ich alles Mögliche über seine Situation gelesen habe. Er stößt mich weg. Auf der anderen Seite verstehe ich es dann trotzdem auch wieder nicht.“
„Und jetzt?“, fragte Jerry weiter.
„Jetzt? Nichts! Jedenfalls nicht von mir aus.“
„Kannst du das bitte genauer ausführen?“
„Ich habe ihn zu seiner Großmutter zurückgebracht und ihm gesagt, dass er aussteigen soll. Und ich habe ihn daran erinnert, dass er weiß, wo er mich finden kann. Ich habe Monate damit verbracht, ihm meine Hand zu reichen. Ich glaube nicht, dass es gut für uns wäre, wenn ich noch mehr Druck machen würde.“
„Glaubst du, das kannst du durchhalten?“, wollte Jerry von ihr wissen.
Liz presste die Lippen aufeinander. Ihr schossen Tränen in die Augen, die sie sich mit zittrigen Händen von den Wangen wischte. Dabei flüsterte sie fast unhörbar leise: „Es tut so weh. Es tut so wahnsinnig weh. Ich … ich will nicht, dass er mich noch mal weinen sieht …“
Sie schluchzte und blinzelte vergeblich, um die Tränen zurückzuhalten. Jerry reichte ihr kein Taschentuch; Liz wusste, wo sielagen. Sie hatte sie schon mehrfach benötigt. „Wenn ich ihn nicht so sehr lieben würde, würde ich ihn hassen.“ Sie schluckte und griff nach einem Taschentuch. „Es tut so schrecklich weh …“
Dann kam der Mai,
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