Zurück in Virgin River (German Edition)
sinnvolle Aufgabe gefunden?“, fragte sie.
„Ja.“ Dan nickte entschieden. „Ich bin dazu bestimmt, diese alte Bruchbude in etwas ganz Wunderbares zu verwandeln. Das kann ich sogar.“
„Und das reicht Ihnen?“, wollte Cheryl wissen.
„Im Moment ja.“
„Okay, dann kommen wir mal zu einem anderen Thema. Wieso haben Sie eigentlich Gras angebaut? Können Sie mir das erklären?“
„Lieber Himmel, das ist eine lange Geschichte …“
„Ich muss noch ein ganzes Sandwich aufessen“, sagte sie. „Ein ziemlich großes sogar. Wirkte ich so hungrig und unterernährt auf Sie?“
„Im Gegenteil, ich finde, Sie sehen sehr gesund aus“, entgegnete er. „Wir müssen aber erst mal alle offenen Fragen klären. Ich versuche es mal in der Kurzversion. Ich habe da unten im Süden für meinen Vater auf dem Bau gearbeitet. Er ist ein verdammt harter Hund, aber ein toller Handwerker. Dann ging ich zu den Marines, um mein Leben zu verändern und ein paar Vorteile einzustreichen und … ich dachte, das Leben beim Militär würde mir gefallen. Ich heiratete ein sehr viel jüngeres Mädchen; ich war siebenundzwanzig und sie erst achtzehn. Jeder, der ein bisschen Grips hat, hätte die Probleme vielleicht schon vorhergesehen, doch ich natürlich nicht. Und um meine Situation noch zu verschlimmern, schwängerte ich sie auch noch. Dann schickten sie mich in den Irak, wo ich verwundet und dann aus gesundheitlichen Gründen ausgemustert wurde. Bis ich mich davon erholt hatte, war sie bereits auf und davon.“
„Sie haben ein Kind?“
„Hatte. Einen Sohn. Er wurde schwer krank, als er vier war. Er litt an einem ungewöhnlich schlimmen Herzfehler und stand auf der Transplantationsliste. Meine Frau hatte gerade wieder geheiratetund sich zum zweiten Mal scheiden lassen, und da habe ich mich aus einer blöden Verzweiflung heraus entschieden, Gras anzubauen, um schnelles Geld zu verdienen, damit ich dem Kind ein Herz kaufen kann, falls es nötig würde. Das war alles andere als vernünftig. Ich habe auch nicht in meiner Wohnung ein paar Pflanzen angebaut, sondern gleich eine ganze Marihuana-Plantage betrieben. Und ich stellte ein paar Mitarbeiter ein, die die Felder bewachen sollten. Ich habe sehr viel Geld verdient, genau, wie ich es beabsichtigt hatte, aber ich habe nichts getan, um meinem Jungen zu helfen. Cash.“ Dan lachte, doch es klang nicht fröhlich. „Wir haben ihn Cash genannt. Welche Ironie des Schicksals.“
Cheryl saß mucksmäuschenstill da. „Das tut mir leid.“
„Danke“, sagte Dan um Fassung ringend und biss noch einmal in sein Sandwich. „Dann wurde ich erwischt. Und ich habe mit der Polizei vereinbart, dass ich sie ein paar Jahre lang mit Informationen über andere Cannabisbauern versorgen würde. Übrigens, wenn Sie dieses Detail herumerzählen, bekomme ich möglicherweise eine Menge Ärger mit ein paar sehr unangenehmen Leuten. Es bleibt Ihnen überlassen, was Sie weitererzählen, aber so sieht es nun einmal aus.“
„Ich wäre glatt in der Lage, es für mich zu behalten. Vielleicht.“
„Danke. Also habe ich der Polizei ein paar ernst zu nehmende Tipps gegeben, wohl wissend, dass ich mich über kurz oder lang aus dem Staub machen müsste. Ich versuchte in letzter Minute abzuhauen, doch ich hatte etwas zu lange damit gewartet. Außerdem war fliehen nicht mein Ding – das hatte ich nie vorgehabt. Ich wollte eigentlich nur ein ganz normales Leben. Seit ich achtzehn war, hatte ich einfach nur ein normales Leben führen wollen. Ich wollte einen festen Job, mich regelmäßig mit Freunden auf ein Bier treffen, mit meinem Kind im Vorgarten Ball spielen, jemanden zum Knuddeln in meinem Bett haben, dem ich vielleicht ab und zu aus keinem besonderen Anlass Blumen mitgebracht hätte. Ich war sogar drauf und dran, ein besserer Handwerker zu werden als mein Vater, aber noch wichtiger war mir, dass ich ihn als Ehemann und Vater überflügele. Ich meine, mein alter Herrfand es angemessen, hart aber gerecht zu sein. Allerdings hatte ich eine ganz andere Vorstellung von Erziehung. Leider hatte ich dieses Ziel eine Zeit lang aus den Augen verloren. Ich war irgendwie am Ende und ein Mistkerl – und wesentlich schlimmer, als mein Vater je gewesen war.“
Dan zerknüllte das Sandwichpapier.
Cheryl schwieg. Sie aß so viel, wie sie schaffte, und packte den Rest des Sandwiches wieder ordentlich ins Papier ein. „Gute Geschichte“, sagte sie. „Ich wette, es hat Sie ein paar Tage gekostet, sich das alles
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