Zurueck ins Glueck
kleine Gefährte des Fiedlers, ein ebenfalls aus Bronze gegossener Hund, hockte vor seinen Füßen. Das Tier blickte mit halb geöffneter
Schnauze und heraushängender Zunge zu dem Fiedler auf; es sah aus, als würde es hecheln. Seine Ohren waren gespitzt, und den Kopf hatte der Hund leicht zur Seite gelegt, als könnten nur er und sein Herr die wundervolle Musik hören. Samantha liebte den Tanzenden Fiedler, weil er so glücklich wirkte, als hätte er keinerlei Sorgen auf der Welt. Sie war nicht sonderlich überrascht gewesen, als sie erfahren hatte, dass die Figur ein Geschenk der Familie Judge an die Bewohner von Fiddler’s Point war.
Direkt hinter dem Fiedler fiel die Straße steil ab, und am Fuß des Hügels lag das friedliche kleine Dorf. Es war in der letzten Zeit beträchtlich gewachsen. Die Einheimischen sprachen mittlerweile nicht mehr von ihrem Dorf, sondern bezeichneten es nun als Kleinstadt – obwohl es Samantha schleierhaft war, wo der Unterschied zwischen einer kleinen Stadt und einem großen Dorf liegen sollte. Wie dem auch sei, in Fiddler’s Point gab es jetzt zwei Damenbekleidungsgeschäfte, einen Supermarkt, die obligatorischen Imbissbuden und wegen des zunehmenden Touristenstroms auch ein paar neue Souvenirläden. Das Fiddler’s Rest war nur einer der zahlreichen Pubs, und dann war da natürlich noch die Kirche, an die sich das Haus von Vater Carroll anschloss. Die Geschäftszeile und die Kirche blickten auf das Meer hinaus, dahinter verlief ein Netz schmaler Straßen. Dort lebten die Einwohner von Fiddler’s Point. Im Lauf der letzten Jahre waren die Straßen neu asphaltiert worden, gegenüber vom Strand hatte man einen Parkplatz angelegt, und entlang des feinen Sandstrandes verlief eine hübsche Promenade. Hinter dem Parkplatz lag das Hotel The Anchor, zwei Meilen dahinter das prächtige Anwesen Dunross.
Als Samantha jetzt vom Gipfel des Hügels auf das Dorf hinabblickte, registrierte sie entsetzt, dass dort unten Chaos herrschte. Drei Hubschrauber standen auf dem Parkplatz am Strand, eine Menschenmenge drängte sich um die Kirche – lauter unbekannte Gesichter, sie erkannte nur Wendy und Gillian. Die beiden wurden bereits von einem Mann fotografiert, der seine Arbeit mit beängstigender Professionalität verrichtete. Dann entdeckte sie einen Transporter mit dem Logo des Fernsehsenders TV3.
»Was zum Teufel geht da unten vor, Paul?«, fragte sie ihren Fahrer.
»Sie heiraten einen Judge, Sam«, antwortete dieser schlicht. »Damit gehören Sie jetzt zu den Oberen Zehntausend.«
Paul Smith war der Privatchauffeur der Judges. Er hatte erstklassige Referenzen. Als ehemaliger Angehöriger des Special Air Service hatte er schon für viele Prominente den Bodyguard gespielt und arbeitete seit vier Jahren ausschließlich für die Familie Judge. Samantha wusste, dass er in England in eine Schießerei verwickelt gewesen und danach froh gewesen war, in der ruhigen Grafschaft Wicklow untertauchen zu können, aber laut Cameron lag der Rest seiner Vergangenheit ziemlich im Dunkeln. Samantha störte sich nicht daran. Ihr gegenüber verhielt sich Paul stets wie ein perfekter Gentleman, und sie fühlte sich in seiner Gegenwart sicher. Er würde schon dafür sorgen, dass ihr Hochzeitstag ohne unliebsame Zwischenfälle verlief.
»Was ist aus der kleinen, intimen Hochzeit geworden, die mir immer vorgeschwebt hat?«, jammerte sie.
Die Frage konnte sie sich selbst beantworten. Rose
Judge hatte ihre Gästeliste in die Finger bekommen und nach eigenem Gutdünken erweitert. Dummerweise hielt sie die Trumpfkarte in der Hand – eigentlich sollte es ›Trumpkarte‹ wie bei Donald Trump heißen, dachte Samantha grimmig. Rose trug die Kosten für die gesamten Feierlichkeiten, weshalb der jungen Braut nichts anderes übrig geblieben war, als sich ihren Wünschen zu fügen. Sie hatte insgeheim gehofft, Cameron werde seiner Mutter Paroli bieten, aber das hatte er noch nie getan, warum sollte er jetzt damit anfangen? Nein, sie würde sich damit abfinden müssen, in allerbester Judge-Tradition mit Prunk und Pomp getraut zu werden, so sah die traurige Realität aus. Samantha verdrängte diese trüben Gedanken entschlossen, während der lange Mercedes sich vorsichtig zwischen den zu beiden Seiten der Straße geparkten Sportwagen und Limousinen hindurchschlängelte und dabei tausend Euro teure Außenspiegel nur um Haaresbreite verfehlte. Ricky zuckte zusammen.
»Wie viele Gäste kommen eigentlich zu dieser
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