Zurueck ins Glueck
nie loslassen? Wer bewahrte denn einen Brief so lange auf? Es war einfach grotesk.
Rose betrachtete ihr Gesicht in dem goldgerahmten Spiegel ihrer Frisierkommode, frischte ihr Make-up auf und puderte ihre Wangen. Zu ihrem Schrecken entdeckte sie noch mehr Fältchen als sonst. Sogar nach einer erholsamen Woche auf Barbados ließen sich die Spuren, die der Auftritt am Flughafen hinterlassen hatte, nur schwer vertuschen. Sie griff nach ihrer Bürste. Während sie damit durch ihre kleinen Löckchen fuhr, dachte sie an Cameron. Der arme Junge musste den zweiten Teil seiner Flitterwochen jetzt mutterseelenallein
verbringen. Nun, daran ließ sich nichts mehr ändern.
Dass ihr Mann ihr Doppelspiel beinahe entdeckt hätte, jagte Rose Angst ein. Wenn er herausfand, dass sie diesen verhängnisvollen Brief tatsächlich geschrieben hatte... Sie durfte gar nicht daran denken, was das für Folgen für sie haben würde. Sie musste unbedingt einen Weg finden, um ihn von dieser Fährte abzulenken. Nachdenklich zog sie die Bürste durch ihr Haar, während ihre Gedanken sich überschlugen. Die antike silberne Haarbürste und der dazu passende Handspiegel waren ein Geburtstagsgeschenk von Granny Vic, sie besaß das Set schon seit vielen Jahren. Ein Geburtstagsgeschenk …
Und plötzlich kam ihr die Erleuchtung; eine so brillante Idee, dass sie laut zu lachen begann.
»Jetzt weiß ich, wie ich alle meine Probleme auf einen Schlag lösen kann«, teilte sie ihrem Spiegelbild mit. »Und vielleicht gelingt es mir dabei auch gleich, den guten Ruf der Familie wiederherzustellen.«
James leistete seiner Mutter im Wohnzimmer bei einem Drink Gesellschaft, während Rose sich zum Essen umkleidete. Keine seiner Töchter hatte sich bislang blicken lassen, was ihm eine sehr willkommene Ruhepause verschaffte. Victoria saß am Feuer und nippte genüsslich an ihrem Sherry.
»Da bist du ja wieder, James. Ist Rose gut angekommen?«
»Ja. Der Flug hatte nur eine halbe Stunde Verspätung«, erwiderte James geistesabwesend, dabei starrte er in die orangeroten Flammen, die im Kamin aufzüngelten.
»Was liegt dir denn dann auf der Seele?«
James sah seine Mutter an. »Ach, Mum, du konntest schon immer geradezu riechen, wenn andere Menschen etwas bedrückt.«
Victoria hob die Brauen. »In dir kann man lesen wie in einem Buch, James. Was ist los?«
»Ich habe letzte Woche einen ziemlich scheußlichen Brief bekommen.«
»Wieder Ärger mit dem Finanzamt?«
»Nein, das nicht. Es ist ein alter Brief, sehr alt sogar – mehr als fünfunddreißig Jahre, um genau zu sein. Er trägt meine Unterschrift, aber ich habe ihn nicht geschrieben, Mutter. Da bin ich mir ganz sicher.«
»Worum geht es denn in diesem Brief?«
James zögerte. »Das möchte ich vorerst lieber für mich behalten, Mum. Es ist etwas sehr Persönliches.«
Victoria hob gleichmütig die Schultern. »Noch ein uneheliches Kind?«, erkundigte sie sich.
James warf ihr einen scharfen Blick zu. »Nein, so schlimm ist es nicht. Es ist nur so... ich habe diesen verdammten Brief nicht geschrieben, aber die Unterschrift sieht eindeutig aus wie meine.«
»Nun, wenn du es nicht warst, wer dann?«
»Das ist ja gerade die Frage. Ich dachte zuerst an Rose, aber ich habe sie vorhin am Flughafen zur Rede gestellt, und sie steckt bestimmt nicht dahinter. Sie hat sich fürchterlich aufgeregt. Im Nachhinein wünschte ich fast, ich hätte den Mund gehalten.«
»Aber wenn Rose nicht die Schuldige ist, wer käme dann infrage?«
»Wenn ich das wüsste, Mutter. Es ist alles schon so lange her, ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wen
wir damals alles gekannt haben. Daher war Rose für mich auch die wahrscheinlichste Kandidatin.«
»Kann es sein, dass sie gelogen hat?«
»Was? Nein, ich denke nicht. Sie war völlig außer sich.«
»Wo ist dieser Brief jetzt?«
»Sie hat ihn.«
»Oh.«
»Mutter, du glaubst doch nicht ernsthaft, sie könnte es doch getan haben?«
»Warum nimmst du nicht den Brief wieder an dich und lässt ihn auf Fingerabdrücke hin untersuchen?«
»Großer Gott, das ist hier doch keine Folge von ›Hawaii Fünf-null‹!«
»Willst du die Wahrheit herausfinden oder nicht?«
»Natürlich will ich das. Jemand hat mich auf übelste Weise hintergangen, und ich will wissen, wer das war.«
»Dann solltest du als Erstes dafür sorgen, dass du diesen Brief zurückbekommst.«
In diesem Moment rauschte Rose in den Raum. »Victoria, mir ist da eine wundervolle Idee gekommen«, strahlte
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