Zurueck ins Glueck
gestrichenen Wänden. Rechts stand ein schmaler Schrank, dann gab es noch ein einzelnes Bett, auf das Pedro ihren Koffer gelegt hatte, und ein Nachttischchen mit einer Lampe. Das Fenster ging zu einer Seite des Hauses hinaus; sie sah ein paar große Pinien und dahinter noch mehr Reben. Sie waren einfach überall.
Sie drehte sich zu dem alten Mann um. »Ich hätte
nie gedacht, dass es hier so schön ist, Pablo«, bekannte sie.
Ein verletzter Ausdruck trat in seine Augen. »Warum nennst du mich nicht Papa?«, fragte er leise.
Samantha zuckte überrascht zusammen. Sie hatte selbst nicht gemerkt, dass sie von Papa zu Pablo übergewechselt war. Es erschien ihr nicht richtig, ihn nun, wo sie wusste, dass er nicht ihr richtiger Vater war, auch weiterhin mit Papa anzusprechen. Aber das konnte sie ihm nicht erklären. »Entschuldige, es ist nur so... es ist alles schon so lange her.«
»Ich verstehe.« Er nickte traurig. »Vielleicht kann ich mir den Namen ja im Laufe der Zeit neu verdienen«, fügte er dann hoffnungsvoll hinzu.
In diesem Moment begriff Samantha, dass sie ihm niemals die Wahrheit gestehen durfte. Er war ein guter Mann und jetzt ein alter Mann, der mit schönen und weniger schönen Erinnerungen leben musste. Und sie würde ihm seine schönste Erinnerung nicht um so etwas Unwichtigem wie der Wahrheit willen rauben.
Pedro kam ins Zimmer.«Hier, das wirst du brauchen.« Er legte eine Garnitur Bettwäsche auf den Koffer.
»Danke, Pedro.« Samantha wagte ein schüchternes Lächeln.
Er antwortete mit seinem üblichen knappen Nicken und verließ den Raum wieder.
»Gut, wir lassen dich jetzt allein, damit du auspacken und dich häuslich einrichten kannst.« Pablo klatschte in die Hände. »Es ist Zeit für meinen Rundgang. Jeden Abend und jeden Morgen muss ich nach den Reben sehen. Vielleicht hast du Lust, mich morgen zu begleiten.«
»Gerne«, stimmte sie sofort zu.
»Dann gehe ich jetzt, und du ruhst dich aus. Wir essen so gegen zehn, wenn dir das recht ist.«
Samantha sah auf die Uhr. Es war schon nach sechs. »Einverstanden«, nickte sie. So blieb ihr noch genug Zeit, ihre Sachen auszupacken und sich vielleicht noch eine Stunde hinzulegen. Letzte Nacht in dem Hotel in Madrid hatte sie nicht viel geschlafen, und der schwere Wein, den sie zum Lunch getrunken hatte, trug das Seine zu ihrer Müdigkeit bei.
Pablo küsste sie leicht auf die Wange und ging aus dem Zimmer.
Sobald sie allein war, trat Samantha an das Fenster, öffnete es und sog die frische, nach Pinien duftende Luft in tiefen Zügen ein. Sie wirkte prickelnder als Champagner. Ein paar Meter von ihr entfernt standen mehrere hohe Bäume, dahinter erstreckte sich ein endloses Meer von Weinreben. Das Land fiel zu einem Tal ab, dessen Sohle sie nicht sehen konnte, weil ihr Schlafzimmer zu ebener Erde lag. »Später«, seufzte sie. »Später habe ich genug Zeit, mich hier überall umzuschauen.« Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen, das einen neuen Spielplatz entdeckt. Die Gegend war so anders als alles, was sie kannte. Fiddler’s Point und all die Probleme, die sie dort zurückgelassen hatte, schienen mit einem Mal zu einem anderen Leben zu gehören. Möglicherweise war es doch keine so schlechte Idee gewesen, hierherzukommen, überlegte sie, und zur Hölle mit Pedro Garcia.
Sie ging zum Bett, nahm den Koffer herunter, stellte ihn auf den Boden, streckte sich auf der weichen Matratze aus, blickte zur Decke und fragte sich, was die
nächsten Tage ihr wohl bringen würden. Einen Moment später war sie tief und fest eingeschlafen.
Rose Judge konnte sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten, als sie endlich ihr geliebtes Dunross erreicht hatten. Der Transatlantikflug war nicht sonderlich anstrengend gewesen, sie hatte in der ersten Klasse gesessen und den Komfort in vollen Zügen genossen. Es war die oscarreife Vorstellung am Flughafen, die an ihren Kräften gezehrt hatte.
Sie nahm an ihrem Toilettentisch Platz. Seit die vermaledeite Katie Garcia wieder in ihr Leben getreten war, hatte sie sich auf ein paar hässliche Szenen gefasst gemacht. Man musste kein Geistesriese sein, um Schwierigkeiten vorherzuahnen. Dieses geldgierige kleine Biest setzte alles in ihrer Macht Stehende daran, ihre Krallen wieder in James Judge zu schlagen. Überrascht hatte es Rose nur, den bewussten Brief noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Himmel, es war fünfunddreißig Jahre her, seit sie ihn gefälscht hatte. Würde die Vergangenheit sie denn
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