Zurueck ins Glueck
wovon du redest, ich wusste ja noch nicht einmal, dass Rose krank geworden ist, Cameron.« Samantha versuchte, sich von ihm loszumachen, doch er verstärkte seinen Griff noch. »Wir mussten für Mum einen Krankenwagen rufen. Sie ist in eine Art Koma gefallen, und als wir hier ankamen, sagte man uns, wir würden schon erwartet. Ich dachte, einer der Sanitäter hätte die Notaufnahme verständigt.«
Cameron sprach nach wie vor sehr leise, trotzdem gelang es ihm, ihr die Worte wie Giftpfeile entgegenzuschleudern. »Das haben sie wohl auch getan. Aber hast du dich denn gar nicht gewundert, wieso einer abgewrackten alten Säuferin eine so bevorzugte Behandlung zuteil wird?« Der Hohn in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Samantha sammelte ihre Kräfte, dann riss sie sich mit einem Ruck von ihm los. Er wollte ihr das Ganze offensichtlich so schwer wie möglich machen.
»Sprich nicht so abfällig von meiner Mutter. Sie ist krank, sie kann nichts dafür. Und was die Behandlung hier angeht – warum sollte ich mich darüber wundern? Als wir ankamen, fragte mich eine der Schwestern, ob ich von der Judge-Hochzeit käme, und ich sagte Ja. Was ja auch der Wahrheit entsprach, man braucht mich ja nur anzusehen.« Sie starrte ihn herausfordernd an.
Es war Cameron, der als Erster den Blick senkte, kehrtmachte und zu seiner Mutter, seinem Vater und Gillian zurückstapfte, ohne Samantha weiter zu beachten.
Samantha stand wie erstarrt mitten in der Notaufnahme. Rote Flecken loderten auf ihren Wangen. Sie spürte, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren; wusste,was für einen jämmerlichen Anblick sie bieten musste. Ihre Frisur hatte sich fast vollständig gelöst, ihr Kleid war fleckig und zerknittert. Hatte sie sich ein paar Stunden zuvor noch wie Cinderella gefühlt, so war jetzt für sie ihre ganz persönliche Mitternachtsstunde verstrichen, dachte sie kläglich. Alle hier hatten mit angesehen, wie ihr Bräutigam sie einfach stehen gelassen hatte. Es kostete sie all ihre Willenskraft, die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen und flüchtete sich in den stillen kleinen Raum, in dem ihre Mutter untergebracht war.
Die Oberschwester untersuchte Rose Judge rasch, versicherte Cameron, dass sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte, war aber wie er der Ansicht, sie müsse von einem Arzt gründlich durchgecheckt werden. Das Problem war, dass man kein Bett für sie hatte und Rose vielleicht mehrere Stunden warten musste, bis eines frei wurde.
Cameron schäumte vor Wut. »Sie haben dieser abgehalfterten alten Schabracke Ihr letztes verfügbares Bett gegeben und wollen mir jetzt weismachen, für meine Mutter wäre hier kein Platz mehr? Schwester, überlegen Sie sich gut, was Sie als Nächstes sagen!«
Der Panzer unerschütterlicher Gelassenheit der Oberschwester bekam Risse. Sie wusste, dass man sie für diesen Fehler zur Verantwortung ziehen würde. Wenn der
Vorstand Wind davon bekam, würde sie schneller wieder Nachtschichten schieben müssen, als man das Wort ›Geldspende‹ aussprechen konnte.
»Ich könnte mich für Sie ans Telefon hängen«, erbot sie sich diensteifrig. »Vielleicht ist im Vincent’s Private in Dublin noch ein Privatzimmer zu haben. Um ehrlich zu sein, Mr. Judge...«, dies galt Cameron, »... das Zimmer Ihrer Schwieger... äh... dieser anderen Frau ist nicht viel größer als eine Besenkammer. Wir haben hier in der Notaufnahme keine Privatzimmer, und das Krankenhaus ist voll belegt – überbelegt, fürchte ich. Ich könnte veranlassen, dass Mrs. Judge jetzt gleich mit dem Notarztwagen ins Vincent’s gebracht wird. Ein paar Tage in einer Privatklinik würden ihr guttun. Sie braucht Ruhe... nach allem, was sie durchgemacht hat...« Sie wagte es nicht, direkt auf die offenbar überstürzt abgesagte Hochzeit anzuspielen, obwohl ihr die feierliche Kleidung aller Beteiligten und die feindselige Art, wie sie miteinander umgingen, deutlich verrieten, was geschehen sein musste.
Cameron funkelte sie finster an, sagte aber nichts, sondern hörte ruhig zu, was die Schwester als Zustimmung auffasste. »Ich werde sofort alles Nötige in die Wege leiten. Dauert nur ein paar Minuten«, fügte sie hinzu.
Zum Glück hatte das Vincent’s Private ein Zimmer für Mrs. Judge, das sofort zu ihrer Verfügung stand.
»Wollen Sie mit dem Krankenwagen fahren?«, fragte die Oberschwester James Judge. Dieser wollte das Angebot gerade annehmen, als Cameron einfiel, dass es sich
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