Zurueck ins Glueck
vor der Tür stand. Nur ein paar Minuten, nachdem Samantha aus dem Taxi gestiegen war, nahm James darin Platz, um sich zum Wicklow General Hospital bringen zu lassen.
»Ist ja’ne beliebte Strecke heute Morgen«, brummte der Fahrer. »Ich hoff’ nur, Sie haben Geld bei sich, Sir. Nichts für ungut, aber ich hab meine gute Tat für heute schon hinter mir.«
»Keine Sorge«, erwiderte James geistesabwesend.
»Ham Sie vielleicht auch was mit der geplatzten Hochzeit gestern in Fiddler’s Point zu tun?« Der Taxifahrer musterte seinen neuen Fahrgast prüfend.
»Großer Gott, nein. Was war denn los? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.« James befürchtete, dabei ertappt zu werden, wie er sich davonstahl, um Katie Garcia im Krankenhaus aufzusuchen. Deswegen kamen ihm die Lügen leicht über die Lippen.
»Na ja, ich hab die Braut eben vor dem Manor abgesetzt. War fix und fertig, das arme Ding.« Er warf die Sonntagszeitung neben James auf die Rückbank. »So wie’s aussieht«, fuhr er dann sichtlich erfreut darüber, neues Publikum zu haben, fort, »hat die Mutter der Braut die ganze Veranstaltung gestoppt, und zwar mit der Begründung, dass Braut und Bräutigam Bruder und Schwester sind. Muss’nen Riesenwirbel gemacht haben.«
Aber James schenkte ihm keinerlei Beachtung mehr; er hatte sich bereits in die Zeitung vertieft. Das ganze Desaster war glasklar in Technicolor festgehalten worden. Auf der Titelseite prangte ein Foto von Samantha, wie sie mit bis zu den Knien gerafften Röcken aus der Kirche stürmte, um ihre Mutter zu suchen. Die Seiten 6 und 7 lieferten weitere gestochen scharfe Bilder. Offenbar hatte ein Fotograf mit einem leistungsfähigen Teleobjektiv in einiger Entfernung von der Kirche gelauert. Es gab ein Foto von Cameron, der seine Mutter aus der Kirche trug, mit James, Stephanie, Paul und anderen Hochzeitsgästen im Hintergrund; eines von Minister Bill Boggans davonbrausendem Mercedes und eines vom Minister selbst, das anscheinend viel später im Fiddler’s Rest aufgenommen worden war. Er war hochrot im Gesicht, von hübschen jungen Frauen umringt, und sang aus vollem Halse.
Mrs. Boggan würde ihm die Hölle heiß machen, wenn sie diesen Schnappschuss zu Gesicht bekam.
»Über die Hintergründe der ganzen Geschichte ham die Zeitungsfritzen ja noch nicht viel rausgekriegt«, riss ihn der Fahrer aus seiner Versunkenheit. »Aber die lassen nich locker, das sag ich Ihnen. Wo Rauch is, is auch Feuer. Ich mein ja, die Eltern sind nich ganz koscher. Entweder hat sich die Alte in ihrer Jugend rumgetrieben, oder die saubere Familie des Bräutigams hat’ne Leiche im Keller. Deren Weste is nich so weiß, wie sie immer tun. Wie heißen die Leutchen noch gleich?«
»Judge«, murmelte James nahezu unhörbar.
»Richtig, Judge. Jetzt werden Köpfe rollen, glauben Sie’s mir. Irgendwer wird für den Schlamassel büßen müssen.«
James konnte das Geschwätz nicht länger ertragen, und er wollte auch nicht riskieren, doch noch von dem Mann erkannt zu werden. »Würden Sie mich bitte hier rauslassen?«
»Hier? Aber bis zum Krankenhaus sind’s noch zwei Meilen.«
»Ich weiß, aber ich brauche frische Luft.«
»Wie Sie wollen, Chef«, knurrte der Taxifahrer. »Das macht dann zwanzig Euro, wenn’s recht ist.«
Erleichtert, dem Redestrom des Mannes entronnen zu sein, machte sich James auf den Weg zum Wicklow General. Nach wie vor fühlte er sich wie in einem bösen Traum gefangen, aus dem er hoffentlich bald erwachen würde. Nur in einem Punkt hatte der nervtötende Taxifahrer Recht: Jemand würde für diese Katastrophe zur Rechenschaft gezogen werden. Ob er, James, nun Samanthas Vater war oder nicht, Katie beabsichtigte offenbar,
die Katze aus dem Sack zu lassen. Rose würde von seiner Affäre mit ihr erfahren. Ihre Reaktion konnte er sich lebhaft ausmalen. Vermutlich würde sie ihn umbringen – nicht weil er ihr untreu gewesen war, sondern wegen des daraus resultierenden Skandals. Diese öffentliche Demütigung würde sie nur schwer verwinden.
Auch Cameron würde außer sich sein; sein Sohn, für den sein Vater stets sein größtes Vorbild gewesen war. Nun hatte er, James, den wichtigsten Tag im Leben seines Jungen ruiniert. Wie hatten die Dinge nur so aus dem Ruder laufen können? James seufzte tief, dann klammerte er sich an den letzten Hoffnungsschimmer, der ihm geblieben war. Vielleicht war Kathleen White wirklich nur eine verrückte, verbitterte alte Frau, die aus Neid und Bosheit heraus
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