Zurueck ins Glueck
blickte ihn flehend an. »James, ich bin wochenlang wie ein Zombie durch die Gegend geirrt. Ich war so jung und so durcheinander. Ich wollte es dir sagen, aber ich brachte es nicht über mich, ich hatte zu große Angst. Und dann – das werde ich nie vergessen -, dann schrieb ich dir einen Brief. Ende September war das. Ich war schon über die zehnte Schwangerschaftswoche hinaus, hatte Pablo gesagt, dass ich ein Kind bekam, und er war außer sich vor Freude, er musste ja davon ausgehen, dass er der Vater war. Aber ich schlug mich mit Selbstvorwürfen herum. Ich wollte unbedingt mit dir reden; ich fand, du hättest ein Recht darauf zu erfahren, was geschehen war. Im Nachhinein bin ich mir gar nicht mehr sicher, was ich mit meinem Geständnis eigentlich erreichen wollte. Wahrscheinlich wollte ich dich einfach nur wissen lassen, dass du der Vater meines Kindes bist.«
»Woher wusstest du so genau, dass sie... äh, dass sie meine und nicht Pablos Tochter war?«
»Glaub mir, Frauen wissen solche Dinge. Sie ist dein Kind, James, daran besteht kein Zweifel. Aber dann hast du mir zur Antwort diesen schrecklichen Brief geschickt. Ich traute meinen Augen nicht, als ich ihn las, und danach verlor ich vor Verzweiflung fast den Verstand.«
»Aber Katie, ich schwöre, ich habe nie einen Brief von dir bekommen. Und ich habe dir auch keinen geschrieben. Das ist alles ein furchtbares Missverständnis.«
Kathleen wurde totenbleich. »Lüg mich nicht an, James, das ertrage ich nicht. Beim letzten Mal hast du schon fast mein Leben zerstört, diesmal könnte es dir gelingen. Geh jetzt bitte, sonst rufe ich die Schwester.« Sie tastete nach dem Klingelknopf und drückte energisch darauf.
»Warte«, bat er. »Du brauchst nicht um Hilfe zu rufen. Sprich bitte mit mir.«
»Du hast damals von mir verlangt, aus deinem Leben zu verschwinden, und das habe ich getan. Du hast gesagt, ich soll dich nie wieder belästigen, und ich habe mich daran gehalten. Erst als ich erfuhr, dass Samantha deinen Sohn heiraten will, musste ich eingreifen. Und selbst da habe ich noch gezögert, weil ich damit rechnete, dass du etwas unternimmst. Aber du hast gar nichts getan. Du hättest seelenruhig zugelassen, dass unsere Tochter ihren eigenen Bruder heiratet. Begreifst du jetzt, warum ich diese Hochzeit um jeden Preis verhindern musste?«
»Ich begreife nicht, wie das alles so weit kommen konnte.« James erhob sich. »Ich möchte dir keinesfalls wehtun, und ich schwöre dir zum wiederholten Mal, dass ich nicht lüge. Ich habe dich noch nie angelogen, das musst du mir glauben.«
»Ha!« Sie lachte schrill auf. »Du bist ja gerade schon wieder dabei.« Abermals drückte sie auf den Knopf.
»Wann habe ich dich je belogen?« James zwang sich, ihr fest in die großen, traurigen Augen zu sehen.
»Damals im Auto. Als wir... du weißt schon. Du sagtest, du würdest mich nicht im Stich lassen, falls irgendetwas... wenn ich in Schwierigkeiten kommen sollte.« Kathleen verzog schmollend die Lippen. Mit einem Mal wirkte sie erstaunlich jung.
Sein Herz machte einen kleinen Satz. Am liebsten hätte er sie schützend in die Arme gezogen. »Das war keine Lüge, Katie.«
»Was ist denn hier los?« Die Schwester kam in den Raum gestürmt. »Wer sind Sie? Wie sind Sie hier hereingekommen?«, herrschte sie James an, dann fiel ihr Blick auf ihre weinende Patientin. »Sehen Sie nur, was Sie angerichtet haben! Außerdem ist jetzt keine Besuchszeit, Sir. Ich muss Sie ersuchen, später wiederzukommen.«
»Wir müssen unbedingt miteinander reden, Katie. Wir müssen dieser Sache auf den Grund gehen«, flehte James ein letztes Mal, ehe die Schwester ihn aus dem Zimmer schob.
Katie sah ihm nach. Fast wäre sie erneut auf ihn hereingefallen, er hatte so unglaublich aufrichtig geklungen. Aber er musste die Wahrheit kennen, er hatte ihr schließlich geschrieben; hatte auf ihren Brief geantwortet. Nein, er hatte ihr gerade erneut einen Haufen Lügen aufgetischt. Darin waren die Judges Meister. Sie würde sich von dieser Familie nicht weiter quälen lassen. Als die Schwester zurückkam, um ihr etwas ›zur Beruhigung‹ zu verabreichen, bat sie darum, keine Besucher mehr zu ihr zu lassen, womit sich die Schwester sofort einverstanden erklärte.
Kathleen sank in ihr Kissen zurück und dachte an ihre geliebte Tochter. Mit etwas Glück hatte sie Sami vor dem größten Fehler ihres Lebens bewahrt. Sie hatte getan, was in ihrer Macht stand, und konnte nichts mehr ungeschehen machen.
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