Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Angel, das habe ich ebenfalls angenommen. Es hat den Anschein, als hätten wir uns geirrt.“
Karo döste vor sich hin, als Angel das Zimmer betrat. Behutsam küsste er sie auf die Stirn.
„Dani“, flüsterte sie und ein liebevolles Lächeln erhellte ihre angespannten Züge.
Wie von einem P eitschenhieb getroffen zuckte Angel zusammen. Aschfahl im Gesicht wankte er einen Schritt zurück. Was, wenn nicht nur Danilo seine Frau liebte, sondern sie seine Gefühle erwiderte? Was sollte es sonst bedeuten, wenn ihr erster Gedanke nicht ihm galt, dem Vater ihrer Kinder, sondern Danilo?
Sein Herz verkrampfte sich schmerzhaft. In dieser Sekunde erkannte er, wie leichtsinnig er mit ihrer Liebe umgegangen war. Er hatte sie als selbstverständlich angenommen und sträflich vernachlässigt, seit Karo schwanger war. Siedend heiß fiel ihm ein, dass er sie bis heute nicht gefragt hatte, ob sie ihn wirklich heiraten wollte. Er war so unerträglich selbstherrlich und von sich überzeugt gewesen, dass ihm nie die Idee gekommen war, sie könnte möglicherweise andere Pläne haben. Pläne, in denen er keine Rolle spielte. Kein einziges Mal hatte sie den Versuch unternommen, mit ihm über eine gemeinsame Zukunft zu reden. Nicht ein Mal!
Ihm wurde klar , was das bedeutete: Sie wollte ihn nicht. Stattdessen hatte sie Danilo erwartet. Ihm vertraute sie. Auf Danilo konnte sie sich jederzeit verlassen, denn er war immer da, wenn sie ihn brauchte.
Das andauernde Schweigen machte sie stutzig und sie öffnete die Augen. Mit einem Schlag war sie hellwach.
„Angel, du? Du bist hier?“ Sie überlegte fieberhaft, wie sie sich für ihren Fauxpas entschuldigen sollte. „Das ist nett von dir.“
Sie drehte an dem Ohrring und hoffte vergeblich, er möge etwas sagen. Ob er ihr sehr böse war, weil sie ihn mit Danilo verwechselt hatte?
„Und, was sagt der Herr Doktor? Werden es die Kinder schaffen?“
Wortlos nahm er Karos schlaffe Hand und zog sie an seine Lippen. Sie fand es nett, dass er bei ihr war. Nett. Sie freute sich nicht darüber. Weil sie nicht wollte, dass er hier war? Hielt sie seine Anwesenheit für einen Pflichtbesuch? Duldete sie ihn lediglich der Not gehorchend, weil sie zu schwach war, um ihn hochkant aus dem Zimmer zu befördern?
Der erstickende Kloß in seiner Kehle wurde immer größer und nahm be drohliche Ausmaße an.
„Die Schwester konnte nicht viel sagen“, keuchte er und hielt inne, um langsam ei n- und wieder auszuatmen. „Ein Facharzt war um diese Stunde natürlich nirgends aufzutreiben. Aber ich werde dafür sorgen, dass Doktor Bernd morgen gleich als erstes nach dir sieht. Ich denke, wenn du von nun an tust, was er sagt, können wir vorsichtig optimistisch sein. Die Blutung ist gestoppt. Und die Kinder haben sich etwas beruhigt.“
Wie er sagte, was er sagte, gefiel ihr nicht sonderlich, trotzdem fiel ihr ein Stein vom Herzen. „Ich hatte solche Angst. Ein Glück, dass Dani gleich da war und wusste, was zu tun ist. Er hat versprochen, hierher zu kommen.“
Reflexartig schoss Angels Hand an seinen Hals. Wieder würgte er vergeblich. Seine langen Finger zerrten an den oberen Knöpfen seines Hemdes. Er musste sich darauf konzentrieren, gleichmäßig zu atmen, um genügend Luft in seine Lungen zu bekommen, sich zur Ruhe zwingen. Keine weiteren Fehler in Karos Gegenwart! Bloß das nicht! Er wusste genau, wie er zu atmen hatte. Langsam. Gleichmäßig.
„Danilo hält alle seine Versprechen.“ Seine Stimme klang eigenartig dünn und zitterte und Karo fragte sich, wo der strahlende, sorglose Arzt geblieben war, der sie am frühen Abend begrüßt hatte. Der mit der eleganten Doktor Bertram gelacht und geflirtet hatte.
„Er wartet draußen. Vor deinem Zimmer. Die Schwester wollte bloß einen … einen deiner Männer zu dir lassen. Willst du … ihn sehen?“ Und es war nicht zu überhören, dass seine Frage klingen sollte wie: „Du willst ihn bestimmt nicht sehen.“
Endlich hatte er es geschafft, die obersten Hemdknöpfe zu öffnen, und hastig schnappte er nach Luft.
„Danilo wird es verstehen. Immerhin bist du der Vater dieser Kinder.“
„Ja. Ja, das bin ich. Und …“ Nervös fuhren seine Hände über das kurz geschorene Haar. Sein Lächeln wirkte gekünstelt. „Und ich möchte …“
Einmal mehr brach er mitten im Satz ab, räusperte sich und schloss erneut den Mund, ohne es herauszubringen.
Was mochte in ihm vorgehen? Vielleicht hatte er es vergessen. Er sah genauso mitgenommen und
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