Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
durcheinander aus, wie sie sich vorkam. Zum ersten Mal bemerkte Karo so etwas wie Befangenheit an Angel. Seine gewohnte Selbstsicherheit schien wie Putz von seiner äußeren Hülle zu bröckeln. Er machte ei nen verwirrten Eindruck und sie gab sich die Schuld daran. Fakt war nun einmal, dass sie das Leben seiner Kinder leichtsinnigerweise aufs Spiel gesetzt und tatsächlich hin und wieder vergessen hatte zu essen. Sie hatte sich seinem Wunsch widersetzt, sofort nach der Feststellung ihrer Mehrlingsschwangerschaft strenge Bettruhe einzuhalten. Obwohl er genug Ärger bei der Arbeit hatte, musste sie ihm auch noch mit ihrer Sturheit das Leben schwer machen.
„Ich habe euch die Party verdorben“, unternahm sie den lächerlichen Versuch, die erdrückende Stille zu durchbrechen. „Das wollte ich nicht.“
„Es war ohnehin längst Zeit zum Aufbruch“, wehrte Angel mit ähnlichem Einfallsreichtum ab. „Die Party ist nicht so wichtig.“
„… wie deine Kinder.“
Langsam hob er den Kopf. Der Schmerz verdunkelte seine Augen. „Du. Nur du bist wichtig. Du bist das Wichtigste für mich, Karo.“
„Das hast du schön gesagt.“
Ihm war, als hätte sie ihm ein Messer bis ans Heft in die Brust gestoßen. Sie dankte ihm mit einem unverbindlichen Lächeln wie für ein dämliches Kompliment! Weil sie ihm nicht glaubte! Weil er sie zu oft belogen und betrogen hatte und sie ihm deshalb nicht länger Glauben schenken konnte! Es war ihm wichtiger gewesen, mit der Bertram zu vögeln, als seiner Frau zu Hilfe zu kommen – und er besaß die Frechheit zu behaupten, Karo sei das Wichtigste für ihn!
„ Ihr hättet nicht beide herkommen müssen. Es lag nicht in meiner Absicht, dass ihr eure Gäste meinetwegen rauswerft.“
„Aber …“
Nicht beide. Seine Hände fielen kraftlos nach unten. Sie hätten nicht beide kommen sollen. Sie hatte Danilo erwartet, nicht ihn. Sie wollte ihn nicht bei sich haben! Sie wollte ihn nicht.
„Im Haus sieht es bestimmt chaotisch aus.“
„Ja. Sie haben sich alle Mühe gegeben, es gebührend einzuweihen. Chaotisch ist vermutlich noch eine sehr schmeichelhafte Umschreibung. So verlassen höchstens Schweine den Trog. Aber vielleicht weißt du ja nicht, dass ich ein ganz passabler Hausmann bin. Ein paar Stunden Putzen und alles ist wieder perfekt.“
Erneut dehnte sich betretenes Schweigen zwischen ihnen.
„Ich vermute, ihr lasst mich nicht mehr so schnell hier raus.“
Belustigt zuckte er mit den Schultern und sein Grinsen ähnelte dem eines hirnlosen Affen. „So leid es mir für dich tut, das wird sich nun nicht länger vermeiden lassen. Kann ich dich damit trösten, dass ich ebenfalls aus dem Verkehr gezogen wurde? Professor Vogel hat mich beurlaubt. Was hältst du also davon, wenn ich dir hin und wieder die Langeweile vertreibe?“
„Das ist gut. Ja. Einverstanden.“ Sie nickte erfreut und ihr Herz hüpfte wie wild vor Aufregung und Glück. Angel war bei ihr! „Darf ich dich um etwas bitten?“
„Das weißt du doch. Um alles, was du möchtest“, flüsterte er mit sanfter Stimme und Karo hätte am liebsten vor Wonne geseufzt. Wie hatte sie ihr Streicheln vermisst!
„Ich habe noch nicht …“ Sie fingerte verlegen an dem silbernen Ring in ihrem rechten Ohr, bis sie seine Hand auf ihrer spürte, die sie festhielt. „Also … weißt du, bisher war keine Zeit, für die Babys einzukaufen.“
Sie hatte Catherine an ihrem letzten Abend versprochen , mit ihr gemeinsam nach den Prüfungen sämtliche Kindergeschäfte der Stadt zu plündern. Obwohl sie wusste, dass der Einkaufsbummel ohne ihre Freundin stattfinden würde, hatte sie eine innere Stimme bislang davon abgehalten, die notwendigen Besorgungen vor dem mit Cat vereinbarten Termin zu erledigen. Selbstverständlich konnte sie ihr Zögern nicht mit dem Wispern einer inneren Stimme begründen. Sie dachte wieder an Angels Zornausbruch in seinem Sprechzimmer nach dem ersten Besuch bei Doktor Bernd.
Und wieder meldeten sich leise Zweifel zu Wort, ob es die richtige Entscheidung war, Angel erneut die Tür in ihr Leben zu öffnen.
Ein ungutes Gefühl beschlich sie, wenn sie an ihre ungewisse Zukunft dachte. Wie sollte sie es alleine schaffen? Danilo war ihr ein guter Freund, der sie und ihre Sorgen ernst nahm und ihr half, wo er nur konnte. Doch hatte sie ein Recht, ihn dermaßen über Gebühr zu beschäftigen? Sie drängte sich in sein Leben, ohne zu wissen, ob sie ihm nicht im Wege stand bei der Erfüllung seiner eigenen Träume
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