Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
beleuchteten Raum. Jemand löste die Fesseln auf seinem Rücken und bellte: „Pfoten hoch!“ Im selben Augenblick wurden ihm die Arme in die Höhe gerissen und erneut Fesseln um die schon wunden Gelenke gelegt.
„Und nun schlaf schön, Süßer.“
Ein widerliches Lachen war das Letzte, was Angel hörte, bevor die Tür krachend ins Schloss fiel und ihn undurchdringliche Stille umgab.
„Ich habe es schon hundert Mal versucht. Mindestens! Er geht einfach nicht ans Telefon. Dabei hat er doch gesagt, ich soll ihn auf dem Handy anrufen. Auch wenn nichts ist. Kannst du mir verraten, was das bedeuten soll? Ich will ihn ja bloß fragen, ob er gut angekommen ist.“
„Angel wird beschäftigt sein, Pinselchen, die Unterlagen für den Kongress durcharbeiten, im Fitnessraum ein paar Runden drehen, lesen, duschen, was weiß ich, was es alles zu tun gibt.“
„Genau! Ganz genau das meine ich nämlich!“, keifte sie und es interessierte sie nicht, ob sie sich wie eine eifersüchtige Zimtziege anhörte oder nicht. „Einen Gute-Nacht-Drink an der Bar nehmen zum Beispiel, mit dieser Bertram tanzen gehen, einen Abendspaziergang im Mondenschein machen oder ihr die …“
„Karo!“ Danilo unterbrach sie lauter, als sie es von ihm gewohnt war. „Du weißt, dass es nicht an dem ist.“
„Aber es ist fast Mitternacht!“
„Eben. Du sagst es selbst, es ist spät. Ziemlich spät sogar. Und aus genau diesem Grund wird Angel davon ausgehen, dass seine Frau und Kinder längst schlafen, und nicht auf sein Handy schauen.“
Er setzte sich zu ihr ans Bett und griff nach ihren Händen. Wie in einem wärmenden Nest hielt er ihre ständig kalten Fin ger und zog sie an seine Brust. „Bitte, mach dir keine unnötigen Sorgen. Er war heute lange im Auto unterwegs und du weißt doch, dass er kaum etwas mehr hasst, als stundenlang untätig rumzusitzen. Wie ich ihn kenne, wird er sich erst einmal zwei, drei Stunden im Sportraum und in der Schwimmhalle austoben und anschließend in der Sauna relaxen. Vielleicht hat er ja das Handy im Auto vergessen. Du solltest jetzt schlafen und es morgen wieder probieren. Wenn etwas ist, ich bin bis früh auf der Station zu erreichen. Du hast meine Nummer.“
Sein Blick streifte flüchtig das Blatt Papier, welches Angel vor seiner Abreise neben das Telefon auf ihren Nachttisch gelegt hatte. Mit den Gedanken bereits bei dem Patienten, der nach einem Myokardinfarkt in kritischem Zustand auf der Intensivstation lag, verabschiedete er sich von Karo. „Angel geht’s gut, Kleines. Keine Angst.“
Obwohl Danilos Worte sie einigermaßen beruhigt hatten, konnte sie lange nicht einschlafen. Ihr fehlte der allabendliche Kuss, den ihr Angel auf die Stirn gedrückt hatte, bevor er sich verabschiedet hatte, um nach Hause zu fahren. Ihr fehlten sein zärtliches Streicheln über ihren Bauch und seine amüsanten Unterhaltungen mit den vier Babys, auf die er sich inzwischen zu freuen schien. Sie beneidete die schöne Doktor Bertram um die Nähe zu dem Mann, den sie bereits nach ein paar Stunden der Trennung schmerzlich vermisste.
Sofort, als sie am nächsten Morgen von der Schwester des Nachtdienstes geweckt worden war, griff Karo nach dem Telefonhörer und drückte auf die W ahlwiederholungstaste. Ihre Augen leuchteten erwartungsfroh, denn nach dem zweiten Ruf war ein Knacken am anderen Ende zu hören.
„Angel?“
„Oh, das tut mir jetzt aber unendlich leid, gute Frau. Hier ist Doktor Bertram. Angel … ah, ich meine natürlich Doktor Stojanow, ist … also er …“
Karo hörte das gekünstelte Lachen der Psychologin und verzog angewidert das Gesicht , froh darüber, noch nicht gefrühstückt zu haben.
„Gestern hat er sein Handy in meinem Wagen liegen lassen. Und da ich heute Morgen noch etwas daraus holen musste, habe ich es gleich mitgebracht. Ich werde es ihm beim Frühstück geben. Es hat doch sicher noch so lange Zeit oder soll ich ihn wecken? Sein Zimmer befindet sich gleich nebenan. Es würde mir keine Umstände machen.“
„Wäre es möglich … Richten Sie ihm aus … Vielen Dank!“ Ohne die Antwort der anderen abzuwarten, knallte Karo den Hörer auf das Telefon. Sie pumpte wie ein Maikäfer und sah nicht ein, weshalb sie ihre Gefühle auch nur einen Moment unterdrücken sollte, als eine Schwester das Frühstückstablett brachte.
Wut und Enttäuschung waren wie mit Leuchtfarben in ihr Gesicht geschrieben, während sie sich über das Essen hermachte und beinahe ohne Unterlass wetterte:
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