Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Tritt.
„Ich … ich weiß nicht.“
„Was weißt du nicht?“
„Ich habe dir keine Antwort gegeben, weil ich es nicht mit Bestimmtheit sagen konnte. Angel ist Rechtshänder. Allerdings gab es Momente, in denen er die linke Hand bevorzugte.“
„Was für Momente?“, hakte sie nach, was sie bereits eine Sekunde später bereute.
„In Zeiten von übergroßem Stress wechselte er manchmal mitten in einer Tätigkeit die Führungshand. Als hätte man es plötzlich mit einem anderen Menschen zu tun, hat er ganz selbstverständlich mit der linken Hand den Satz zu Ende geschrieben oder zum Beispiel Zwiebeln geschnitten oder sich rasiert. Mir selber ist es einige Male aufgefallen, aber er maß dem überhaupt keine Bedeutung bei.“
„ Ein ganz anderer Mensch“, wiederholte sie nachdenklich. „Wie oft ist mir das durch den Kopf gegangen, wenn er etwas Unerklärliches tat. Es ist jetzt bereits mehr als ein Jahr her.“
„Ja, ich weiß.“ Er hatte ebenfalls daran denken müssen, deswegen überraschten ihn Karos Worte nicht. „Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht daran denke. An Angel. Immer, wenn ich euch begegne, sehe ich ihn vor mir. Nic ist ihm sehr ähnlich.“
„Dani .“ Karo blieb stehen und hielt Danilo zurück. Sie blickte ihm ernst in die Augen. „Denkst du, er kommt zurück? Sei ehrlich. Er ist schon so lange weg, ohne dass wir irgendein Lebenszeichen von ihm erhalten hätten. Nirgends ist er gesehen worden, niemandem ist er aufgefallen – und das, wo er doch weiß Gott niemand ist, den man so einfach übersieht –, nicht ein einziges Mal hat er mit seiner Kreditkarte bezahlt oder mit seinem Handy telefoniert. Das kann doch nur eines bedeuten, dass er nicht gefunden werden will. Dass er sich mit dieser Psychologin auf irgendeine einsame Insel abgesetzt hat und sein Leben in Freiheit genießt.“
„Wir sollten keine voreiligen Schlüsse aus seinem Verschwinden ziehen oder gar die Hoffnung auf ein Wiedersehen aufgeben“, antwortete Danilo ausweichend und vermied es dabei, Karo anzuschauen. Natürlich waren auch seine Vermutungen in diese Richtung gegangen, allerdings wusste er genauso gut um Angels militärische Karriere und die Möglichkeit, dass Angel nicht gefunden werden sollte, dass man ihn – wie und aus welchem Grund immer – aus dem Verkehr gezogen hatte.
„Aber ein ganzes Jahr! Man hat die Vermisstenanzeige längst zu den Akten gelegt, nicht wahr? Und Frithjof Peters, Angels geheimnisvoller Freund , was tut er? Sucht er noch nach ihm?“
Luc fing auf Danilos Schultern zu zappeln an und unterbrach Karos Gedanken gänge. Der Mann war froh, wenigstens vorübergehend um eine Antwort auf ihre drängende Frage zu kommen. Er hatte sie sich selbst bereits unzählige Male gestellt und nie beantworten können. So sehr er hoffte, sein Freund möge wieder auftauchen, so wenig glaubte er daran, dass es geschehen würde. Wenn er mit Karo und den Buben zusammen war, wünschte er sich wahrhaftig nichts sehnlicher, als dass sich Angel endlich melden und klarstellen würde: „Sorry, es war ein Missverständnis, nimm du sie.“
Was für ein Narr du doch bist, Iwanow, welch unverbesserlicher Träumer! Niemals würde Angel das sagen! Wofür kennst du ihn eigentlich dein Leben lang? Um ihn immer noch falsch einzuschätzen? Du machst dir etwas vor! Oder macht dich deine Liebe zu Karo blind für die Wirklichkeit?
Er hatte das Feuer gesehen, das Karo in Angel entfacht hatte, und den unbedingten Lebenswillen, als er bereits dem Tod geweiht war. Und, verflucht noch mal, Angel hatte sich ehrlichen Herzens auf seine Babys gefreut! Er wollte nichts mehr, als der liebevolle, sich sorgende Vater sein, den er selbst nie besessen hatte. Er hatte Karo nicht freiwillig verlassen.
Es gab auf die vielen ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit dem mysteriösen Verschwinden des Älteren keine Antwort, die für sie alle gleichermaßen zufriedenstellend sein würde.
„He, wartet auf uns, ihr zwei! Wir kommen gar nicht hinterher. Ich muss wohl Lucs Pferdchen ein wenig an die Leine nehmen.“ Karo hielt Danilo lachend an seinem Mantel fest und ihre Augen blitzten schalkhaft.
Unbeeindruckt von den Worten seiner Mama rackerte d er Reiter noch heftiger auf Danilos Schultern und zog ihn an den Ohren, als hielte er Zügel in seinen Händchen.
S eine Mama dagegen schüttelte mit ernster Miene und unerbittlich den Kopf. „Nein, nein, Luc, jetzt ist es genug. Dani muss sich ein bisschen ausruhen. Hör nur, er schnauft
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