Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
ja schon wie eine alte Dampflok. Wir wollen doch nicht, dass er kaputtgeht, oder?“
Sie streckte sich und hob ihre Arme dem zappelnden Burschen auf Danilos Schultern entgegen. Der hielt die Beine des sich standhaft wehrenden Lucas’ fest und beugte sich nach vorne zu Karo. Sie warf ihm einen Blick zu – Grundgütiger! –, einen derart gefühlvollen Blick, dass er ihn in der Hose spürte, als sie ihr Gesicht dem seinen näherte und sich ihre Lippen sanft berührten. Sie spürte den hastigen Atem des Arztes, der zweifelsfrei nicht vom Laufen rührte.
„Dani darf uns nicht kaputt gehen“, wiederholte sie und ihre Wangen glühten.
Es war einfach lächerlich, es war vollkommen absurd. Sie kannte ihn schließlich und sie wusste, wie er aussah, dennoch brachte sie allein sein Anblick immer wieder aus dem Gleichgewicht. Ein traumhaft attraktiver Mann mit einem Kind auf den Schultern. Konnte es etwas geben, dass eine Frau und Mutter mehr berührte als ein solches Bild?
„Wir brauchen ihn . Und ich kann in seinem Interesse bloß hoffen, dass er das ebenfalls weiß“, flüsterte sie mit zärtlicher Stimme und lächelte den Mann zweideutig an.
„Möchtest du mit Nic ein paar Steine suchen? Geh, sieh mal, wie viel er schon gefunden hat.“
Karo hielt Danilo, der noch immer um Beherrschung rang, an der Hand zurück. „Lass sie. Komm, setzen wir uns. Von der Bank aus können wir sie gut im Auge behalten.“
„Ich hole uns ein Eis. Was magst du? Wieder Kiwi oder lieber Heidelbeere? Du solltest wirklich mal Heidel…“
„Danilo! Es ist Winter und ich mag kein Eis am frühen Morgen. Außerdem würdest du mich nicht mal bei dreißig Grad im Schatten dazu überreden können, Heidelbeereis zu probieren. Und die Farbe von Kiwi ist einfach grässlich.“
„Oh!“ Er machte ein betretenes Gesicht und überlegte angestrengt. „Verwechsle ich da etwas?“, murmelte er und kratzte sich, hochrot im Gesicht, am Hinterkopf.
„Ah! Ah! Ah!“ Sie drohte ihm spielerisch mit dem Zeigefinger, während sie gleichzeitig fieberhaft ihr Gedächtnis nach Frauen in Danilos Leben durchforstete, die auf Kiwi- und Heidelbeereis standen. „Ich denke schon , dass du mich mit einer anderen verwechselst.“
„Entschuldige.“ Sein verlegenes Lächeln erstarb urplötzlich und sein Blick war starr geradeaus gerichtet. „Wusstest du … ist dir jemals aufgefallen, dass Angel kein Eis gegessen hat? Niemals. Egal, welche Sorte, er ging einfach nicht dran.“
„ Nein, wusste ich nicht. Auch das habe ich nicht von ihm gewusst. Gab es einen bestimmten Grund dafür? Weshalb fragst du?“
„Weiß nicht. Ist mir gerade so eingefallen. Ich erinnere mich noch wie heute, obwohl Erika behauptete, ich könnte damals nicht älter als drei gewesen sein, als sie uns in eine Eisdiele mitnahm. Ich wollte unbedingt Schokoladeneis haben. Als ich … es war eine riesige Portion, musst du wissen, und ich wollte unbedingt alleine essen, aber der Löffel fiel mir aus der Hand und landete auf dem Boden. Also habe ich mir Erikas Kuchengabel geschnappt und damit gegessen. Ich weiß bis heute nicht, wieso Angel plötzlich anfing zu schreien und zu toben und um sich zu schlagen, als hätte er den Verstand verloren. Er schlug seinen Kopf wieder und wieder auf die Tischplatte, sie war aus Marmor, bis er grün und blau im Gesicht war und blutete. Ich war zu Tode erschrocken und habe mir die Augen aus dem Kopf geheult, während Angel schrie und am ganzen Körper zitterte. Ich hatte furchtbare Angst um ihn. Erika nahm uns mit in die Klinik und unterhielt sich dann lange mit dem Professor, während sie Angel verarzteten. Vermutlich habe ich damals schon geahnt, dass er … anders ist.“
„ Aber weshalb hat er so reagiert?“
„ Ich konnte diese Episode lange nicht vergessen und habe mir immer wieder meine Gedanken darüber gemacht, den wahren Grund habe ich nicht herausgefunden. Angel selber konnte sich schon eine Stunde später nicht mehr daran erinnern, eigenartigerweise an gar nichts, geschweige denn erklären, warum er dermaßen ausgerastet ist. Er hat viele Dinge nicht gegessen, ohne dass er sagen konnte, warum er sie nicht mochte. Du kannst dir sicher vorstellen, wie oft es deswegen Ärger mit ihm im Kinderheim gegeben hat.“
„Erika hat so etwas erwähnt. Er konnte sich weder mit Obst noch Gemüse anfreunden. Keinen Pudding oder Quark, nicht einmal Schokolade hat er gegessen! Ich muss zugeben, ich hatte nicht oft Gelegenheit, für ihn zu kochen.“ Sie
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