Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
Arzt von einst hatte. Warum also sollte sie den Vater ihrer Söhne nicht besuchen dürfen?
    In Gedanken versunken ging Iwanow grußlos an den Schwestern vorbei. Er bemerkte nicht, wie sie sich kopfschüttelnd nach ihm umdrehten. Erst als er auf dem Parkplatz angelangt war und sein Auto öffnen wollte, fiel ihm auf, dass er seine Tasche samt Schlüssel im Umkleideraum vergessen hatte. Fluchend machte er kehrt und stapfte zurück in die Klinik.
    Vielleicht sollten wir tatsächlich einen Kurzurlaub einschieben. Ich hätte auf den Professor hören sollen. Karo und die Bengels kommen bei dem Stress viel zu kurz. Sie können am …
    Durch den Gang der Station gellte ein unmenschlicher Schrei, dem lautes Schluchzen folgte. Wie von alleine setzten sich seine Füße in Bewegung, bis Danilo schließlich mit wild klopfendem Herzen an aufgeschreckten Patienten vorbei zu Angels Krankenzimmer rannte. Er riss die Tür auf und prallte angesichts des Bildes, das sich ihm bot, entsetzt zurück.
    Am ganzen Körper zitternd und schweißgebadet lag Angel in Fötushaltung auf seinem Bett. Er stammelte unverständliches Zeug vor sich hin, so zumindest nahm Danilo zunächst an. Angels Stimme hatte sich beinahe bis zur Unkenntlichkeit verändert. Er hatte ihn fast drei Jahre nicht mehr reden gehört. Nicht ein Wort hatte Angel seit seiner Rettung gesprochen. Was mochte wohl jetzt der Auslöser dafür gewesen sein?
    Danilo wartete, bis sich sein Pulsschlag einigermaßen normalisiert hatte, und durchquerte dann langsam das Zimmer. Auf halber Strecke blieb er stehen, als er einzelne Worte zu verstehen begann und er sich den Rest daraus zusammenreimen konnte.
    „ … umgebracht. Ich … war es.“
    Danilo atmete einige Male tief durch, bevor er seine Bestürzung soweit unter Kontrolle hatte, dass er in ruhigem Ton erwidern konnte: „Du hast sie nicht getötet, Angel.“ Bedächtig näherte er sich einen weiteren Schritt dem Bett seines Freundes. „Niemanden.“
    „ … gesehen, wie ich … Si… Sina erschossen … hier …“
    „ Mach dir keine Gedanken darum. Das warst nicht du, der sie umgebracht hat.“
    „… nicht sehen … dunkel. Nur Schreie …“ Angel röchelte und schloss für einen Moment erschöpft die Augen. Er schluckte, schien an irgendetwas zu würgen, das er nicht herausbrachte. Die Finger der rechten Hand zuckten, doch er schaffte es nicht, seine Hand zu heben.
    „B leib ruhig, Angel. Du darfst dich nicht aufregen. Es strengt dich zu sehr an.“
    Angel atmete durch den offenen Mund und schluckte wieder. Die Erinnerung gönnte ihm keine Ruhe. Mühsam drehte er sich auf den Rücken in eine halb aufrechte Position, was ihm das Sprechen etwas erleichterte. „Sie hat geschrien. Was haben sie gemacht? … furchtbar geschrien. Ich habe … abgedrückt. Ich hatte keine Kraft. Es war dunkel. Es gibt … dort … nicht Tag oder Nacht. Kein Licht. Keine Sonne. … alles schon gesehen. Hat er gesagt. Aber die Zeit hat aufgehört … zu sein. Ich konnte Sina nicht sehen.“
    Nach monatelangem Schweigen war Angels Stimme langsam und ausdruckslos geworden, sodass Danilo ihn kaum verstehen konnte. Er hielt den Atem an. Einer plötzlichen Eingebung folgend hob er vorsichtig seine Hand und hielt sie vor Angels Augen. Der allerdings reagierte nicht, schaute einfach durch sie hindurch, als wäre sie nicht da.
    „Angel, deine Augen? Was ist mit deinen Augen?“, fragte Danilo behutsam. Er versuchte vergeblich, seine Bestürzung zu verbergen. Entsetzt schaute er in zwei blicklose Augen, die den Glanz des blauen Nachthimmels verloren hatten und überall hin starrten, nur nicht zu ihm.
    „ Das Licht … es ist weg. Ich habe alles schon gesehen, hat er gesagt. Deswegen haben sie … Ich erinnere mich nicht … an Locken. Aber er wusste davon. Er weiß alles.“
    Danilo beobachtete mit zusammengebissenen Zähnen, wie sich sein Freund mühte, jede Bewegung zu vermeiden, die darauf hinwies, dass er blind war. Es schien, als würde er diese Behinderung ignorieren, weil er sich dafür schämte.
    „Wer? Wer war das, Angel?“
    „Ihr bekommt das hin“, flüsterte er, als ihm plötzlich klarwurde, wie miserabel es ihm ging. Er streckte seinen Körper, legte den Kopf in den Nacken und rollte sich erneut auf die Seite. „Das ist nichts weiter.“
    „Ist alles in Ordnung?“
    „In Ordnung? Ob alles …“
    Sein Unterkiefer begann heftig zu zittern und dann, als hätte sich ein Thermostat eingeschaltet, verschwand die eisige Kälte und er fing an

Weitere Kostenlose Bücher