Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
und gebacken wie eine Geisteskranke, ihn mit Aufmerksamkeiten und Einladungen überhäuft und mich dabei voll zum Löffel gemacht.“
Susann s innerer Aufruhr hatte sie vom Boden aufspringen lassen. Schnaufend tigerte sie vor Cat auf und ab und raufte sich das ohnehin schon wirre Haar.
„Genau! Du sagst es. Bevor du mir das endlich geglaubt hast, hat bereits die halbe Uni über dich und deinen Eifer gelacht.“
„Und dabei waren wir das ideale Paar!“
„Oh, oh, oh, nun bleib aber mal auf dem Boden, Süße“, entrüstete sich Cat. „Tatsache ist, ihr habt überhaupt nicht zusammengepasst. Pappmaché liebt nur sich selbst … und seine Mama. Und vielleicht noch die Kirchenmusik.“
„Und meinen Käsekuchen , vergiss den nicht! Den hat er gleich blechweise verdrückt.“
„ Genau, und so hat er schließlich auch ausgesehen, brrr!“ Cat hielt sich mit gezierter Geste die Hand vor den Mund bei dem Gedanken an das Bild, das sich die beiden Mädchen von diesem Mann gemalt hatten, und kicherte amüsiert. „Erinnerst du dich noch an den niedlichen, handgestrickten Norwegerpullover mit dem süßen Elch auf seiner Hühnerbrust und die karierten Filzpantoffeln, die er getragen hat, als du ihn besuchen wolltest?“
Cats Meckern ging in ein glucksendes Lachen über. „Vor Schreck hast du behauptet, du hättest den falschen Klingelknopf erwischt. Du wärst gerade beim Backen und wolltest eigentlich zu seiner Nachbarin, um dir zwei Eier zu borgen. Zwei … Eier!“, grölte Cat jetzt aus voller Kehle und klatschte sich auf die Schenkel. „Das hörte sich grad so an, als … als würdest du … bei ihm keine Eier …“
„ Halt die Klappe!“ Susanns Hand schoss vor und legte sich über den Mund der Freundin. „Ist ja gut. Wäre dir denn auf die Schnelle etwas Besseres eingefallen?“
„Nein, ernsthaft, das wäre niemals was mit euch geworden. Wenn du wenigstens im Kirchenchor gesungen hättest! Unter diesen Umständen dagegen … Du hattest nie auch bloß den Hauch einer Chance bei ihm.“
Cat musterte ihre Freundin von der Seite. Nein, sie weinte Pappmaché nicht eine Träne nach. Diesen Verlust, der eigentlich gar keiner gewesen war, hatte sie längst überwunden. Sie wollte diesen anderen. Und jetzt regte sich aufrichtiges Mitgefühl in Cat.
„Nun wart erst mal ab, Große. Solange ich nicht mein Urteil über diesen Doppelgänger abgegeben habe, ist alles lediglich Vermutung. Und selbst dann könnten wir uns noch irren.“
„ Das ist es aber nicht allein. In den letzten Tagen habe ich mehr und mehr am Sinn dieser ganzen Aktion zu zweifeln begonnen. Mehli hat mal behauptet: Einsames Warten baut dem Zweifel breite Wege. Aber erst heute verstehe ich den Sinn seiner weisen Worte. Der Doktor liegt im Koma, es gibt absolut keine Anzeichen dafür, dass es mit ihm in absehbarer Zeit aufwärtsgehen könnte. Er hört und sieht mich nicht, reagiert in keiner Weise, während ich mir den Mund fusselig rede. Du kannst dir kaum vorstellen, was ich diesem Kerl schon an Blödsinn erzählt habe. Ich habe mein Innerstes vor ihm nach außen gekrempelt und dabei Dinge zutage gefördert …“
Schaudernd ließ sie sich wieder neben Cat auf den Fußboden sinken, griff gleichzeitig nach der Flasche Weinbrand und goss sich davon großzügig in ihre Kaffeetasse.
Nach einem langen Schluck knurrte sie: „Vor einem Wildfremden mache ich mich qua si … völlig … nackt! Das ist schon ziemlich peinlich und ich bin immer auf der Hut, weil vielleicht doch jemand zuhört und sich einen Ast lacht über meine Geschichten. Währenddessen könnte ich mich viel Erfolg versprechender um diesen anderen kümmern. Glaubst du, ich bin verrückt? Um diesem Arzt meinen Dank für die Erste Hilfe auszusprechen, betreibe ich einen Aufwand wie nie zuvor in meinem Leben.“
„ Du bist ganz bestimmt nicht verrückt, Große. Außerdem bist du nicht allein. Denk an den Doppelgänger, den Prof und die alte Oberschwester, ganz zu schweigen von den hübschen, jungen Schwestern, über die man auf Schritt und Tritt in der Klinik stolpert und die bestimmt emsig wie die Bienchen um Stojanow herum schwirren und ihn bemuttern. Du hast zwar manchmal Mühe, in Gang zu kommen – Keine Widerrede! Das ist eine hundertmal bewiesene Tatsache! –, wenn du dir allerdings was in den Kopf gesetzt hast, dann bekommst du es auch. Irgendwann. Du gibst nicht auf, wenn du etwas unbedingt haben willst. So wie jetzt. Vergiss nie: Alles, wofür es sich zu weinen lohnt, ist
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