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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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aufgewacht bin und nicht wusste, wie ich dorthin gekommen bin. Ich hätte eigentlich den Schock meines Lebens kriegen müssen, aber du hast mir alle Angst genommen.“
    Unendlich langsam öffneten sich seine Augen einen kleinen Spalt breit. Nach der langen Dunkelheit blendete ihn das ungewohnte Tageslicht. Unter seinen flatternden Lidern erkannte er das vor Aufregung gerötete Gesicht der Frau. Er atmete unregelmäßig. Seine Lippen schienen jeden Buchstaben einzeln zu formen, bis sich unartikulierte Worte holpernd aus seinem Mund schlichen.
    „Du … bist … Karo?“
    Sie musste sich über ihn beugen, um ihn zu verstehen. Verblüfft sah sie ihn an und nickte dann hektisch. „Ja, klar! Was denkst denn du, wer sonst so hartnäckig an deinem Bett ausgeharrt hätte? Wärst du Dornröschen, hätte ich behauptet, ich bin der Märchenprinz, der auf dein Erwachen wartet. Aber das ist natürlich Quatsch. Also kann ich dir nicht mal genau sagen, warum ich das gemacht habe. Doch offensichtlich war es so falsch nicht. Ich …“
    Sie lachte nervös auf und fuhr sich mit den Fingern durch die wirren Haare. „Oh, wie peinlich. Das … das ist selbstverständlich völliger Blödsinn. Du solltest das nicht unbedingt ernst nehmen. Wahrscheinlich habe ich in der vergangenen Nacht zu wenig geschlafen, obwohl ich wirklich nicht viel Schlaf brauche. Paar Stündchen reichen und ich bin topfit. Man könnte mich nicht mal einen Morgenmuffel nennen. Am liebsten würde ich jetzt mit dir was richtig Verrücktes anstellen. Wenn du zum Beispiel …“
    Längst hatte sich eine tiefe Zufriedenheit auf sein fahles Gesicht gelegt. Alle Anspannung fiel von ihm ab und erschöpft schlossen sich seine Lider, während er Karos nicht nachlassendem Wortschwall lauschte. Er hörte sie reden und obwohl er den Sinn all der Worte nicht verstand, gab ihm ihre vertraute Stimme ein beruhigendes Gefühl von Geborgenheit und Wärme.
    Sicherheit. Leben.
    Und mit einem Mal wusste er, dass er leben wollte. Für sie. Dass er überleben würde, weil sie es sich wünschte und glücklich machte. Er wollte sie glücklich machen.
    „N ein! Nicht schlafen. He, warte mal! Wie … Was hast du da gesagt?“ Ihr Kopf flog mit einem heftigen Ruck in die Höhe. Sie riss die Augen auf und trat einen Schritt näher an das Krankenbett. „Das ist nicht möglich! Gütiger Himmel, woher weißt du meinen Namen? Schlaf nicht wieder ein, bitte, du warst lange genug weg. Verdammt, rede mit mir!“
     
    Einen Wimpernschlag später fielen Ärzte und Schwestern wie ein Schwarm Hornissen über das Krankenzimmer her. Im Kontrollraum der Intensivstation hatten sie die veränderten Anzeigen des Monitors an Angels Bett registriert und sofort Alarm ausgelöst. Die plötzliche Betriebsamkeit verwandelte den eben noch im wahrsten Sinne des Wortes totenstillen Raum in einen summenden Bienenkorb.
    Fluchtartig griff Susann nach ihrem Rucksack und sprang zur Seite, als rollte eine führerlose Dampfwalze geradewegs auf sie zu. In die hinterste Ecke des Zimmers gedrängt beobachtete sie das Treiben. Wie ein Lauffeuer musste sich unter der Belegschaft der Klinik herumgesprochen haben, dass Doktor Stojanow aus dem Koma erwacht war. Nun schien sich jeder Mitarbeiter persönlich von dem Wunder überzeugen zu wollen.
    Was Susann in diesem Augenblick nicht ahnte, war, dass sie sich mit ihrer Vermutung, niemand würde Notiz von ihr nehmen, gehörig auf dem Holzweg befand. Ohne sich noch einmal umzudrehen, trat sie hinaus auf den Gang, streifte den grünen Kittel ab und ließ ihn auf einem Stuhl liegen. Sie würde ihn nicht mehr benötigen. Ihre Aufgabe war erfüllt.
    Das erhoffte euphorische Glücksgefühl allerdings blieb aus. Vermutlich brauchte es ein wenig Zeit, bis sie dieses Ereignis verarbeitet hatte und sich die überschwängliche Zufriedenheit über ihren triumphalen Erfolg einstellte, tröstete sie sich wegen des abrupten Stimmungstiefs. Sie war bei Stojanow gewesen, als er ins Leben zurückgefunden hatte. Und sie war endlich den Dank an ihren Retter losgeworden.
    Was wollte sie denn noch? Mehr hatte sie nie haben wollen.
    Gleichwohl fiel nur langsam die psychische Belastung der letzten Wochen von ihr ab. Sie fühlte sich ausgelaugt, müde und in der Tat so, als wäre sie mit einer Boeing kollidiert. Mit hängenden Schultern trottete sie durch die Flure der Klinik hinaus ins Freie.
    Unschlüssig blieb sie auf dem Parkplatz stehen. Sie hielt sich selbst – sehr zu Recht, wie ihre Freundinnen immer

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