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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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entgegentreten können. Ich bin sicher, Sie sind unser Schlüssel zu der Tür, hinter die sich Angel erneut zurückgezogen hat. Je schneller wir sie öffnen, umso größer ist unsere Chance, ihn unbeschadet zu erreichen und wieder zu uns zu holen. Diese Machtlosigkeit ist peinlich für einen alten Chefarzt, möchten Sie vielleicht meinen, und ich gebe zu, es gereicht mir nicht unbedingt zur Ehre. Viel mehr allerdings jagt sie mir Angst ein. Panische Angst. Wie soll ich dem Jungen helfen? Karo, Sie sind meine letzte Hoffnung. Ich weiß, Sie werden einen Weg finden, ihn zu berühren. Sie haben es schon einmal geschafft, ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht. Sie können ihn uns auch ein zweites Mal zurückbringen.“
    Sie antwortete nicht gleich, aber der Professor wartete. Er konnte nicht wissen, welche Wege ihre Gedanken jetzt liefen und wann sie zu seiner Bitte zurückkommen würden. Sie blieb ernst und er wartete geduldig. Während sie scheinbar gleichgültig in ihrem Kaffee rührte, arbeitete es fieberhaft in ihrem Hirn. Sie hatte dem Mann aufmerksam zugehört. Was sollte sie ihm antworten, ohne ihn zu verletzen? Es ging nicht um sie und ihren Stolz oder Egoismus oder was immer sie dafür hielt, das hatte der Professor überzeugend dargelegt. Andererseits war ihr klar, dass sie bei dieser Sache bloß verlieren konnte.
    Egal, wie sie sich entschied , sie hing längst mittendrin.
    W as wäre, wenn sie Angel wirklich helfen könnte und sie es dennoch weiterhin rigoros ablehnte? Könnte sie das vor ihrem Gewissen verantworten? Und wie, bitteschön, sollte sie ihm helfen? Sie war weder Wunderheilerin noch Hexe! Dass sich der Professor derart an die Vorstellung klammerte, sie könnte Angel durch ihre bloße Anwesenheit retten, war bestenfalls mit wirklichkeitsfern zu umschreiben. Und auch nur, wenn man freundlich war. Idiotisch war ein anderes Wort, das ihr spontan dazu einfiel. Aus Achtung vor seinem Alter behielt sie beides für sich.
    Sie hatte ein Studium zu beenden. Eine Diplomarbeit zu schreiben. Bilder zu malen. Eine Ausstellung vorzubereiten.
    Se in Leben zu retten! konterte die kleine Stimme, die sich in ihrem Kopf eingenistet hatte, ohne jemals Miete gezahlt zu haben, und sie fragte sich, ob sie noch ganz bei Trost war.
    „Professor Vogel“, begann sie vorsichtig, „ ich bedauere wirklich außerordentlich, dass es Angel nicht gut geht, und ich habe mir meine Entscheidung bestimmt …“
    Von einem durchdringenden Piepton wurde sie in ihrer improvisierten Rede unterbrochen. Mit einem entschuldigenden Augenaufschlag in Karos Richtung kramte der Arzt einen kleinen Empfänger aus der Jackentasche und wurde beim Blick darauf totenbleich.
    „Angel! Kommen Sie!“ Unsanft griff er nach Karos Arm und versuchte sie von ihrem Stuhl zu zerren.
    S ie jedoch saß wie versteinert und stierte den Professor aus großen Augen an. Instinktiv zog sie den Kopf ein, als er seine mühsam aufrecht gehaltene Selbstbeherrschung verlor und sie anbrüllte: „Himmelherrgott, hoch mit Ihnen!“
    Der Alte h ielt Karos Handgelenk in einem solch stählernen Griff, dass sie am liebsten vor Schmerz losgebrüllt hätte. Er indes war fest entschlossen, sie nicht gehen zu lassen, und stolperte mit ihr aus dem Café. Ohne den verzweifelt an ihren Lenkrädern rudernden Autofahrern und kreischenden Bremsen, schleudernden Fahrzeugen und nervösem Hupen Beachtung zu schenken, eilten sie über die Straße.
     
    Eine Schwester kam dem Chefarzt auf dem Gang der Intensivstation entgegen. Sie reichte ihm Kittel und Stethoskop und keuchte: „Kammerflimmern! Seine Atmung ist völlig destabil.“
    „ Bereiten Sie den Sauerstoff vor.“
    Der P rofessor drückte sein Jackett in Karos Hand und zog sich noch im Laufen seinen Arztkittel über. Hastig stieß er die Tür zum Zimmer Nummer Sieben der Intensivstation auf. Karo blieb unauffällig zurück und schielte nach einem Platz, wo sie die Jacke loswerden konnte. Bloß einen Wimpernschlag darauf spürte sie erneut die Finger des Professors wie eiserne Krallen um ihren Arm.
    Er wirbelte herum, zornig und kampfbereit. „Verdammt noch mal, Sie stures Weibsstück!“ Die Worte explodierten so unerwartet heftig vor ihrem Gesicht, dass Karo zurückschreckte. „Vorwärts! Na, machen Sie schon! Bewegen Sie Ihren Hintern!“
    Ungestüm zerrte er sie hinter sich her in den Raum. Er wollte, dass sie seinen Patienten sah. So und nicht anders! Dem Tod näher als dem Leben. Das würde sie mehr überzeugen als alle

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