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Zusammen Allein

Titel: Zusammen Allein Kostenlos Bücher Online Lesen
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tänzelte davon. Unter der Theke holte er einen geöffneten Weißwein hervor, schenkte ein und balancierte zwei Gläser auf einem Silbertablett zu unserem Tisch. Er machte ein großes Trara, als würde er zwei Königinnen bedienen. Wann kommst du heim, wollteich wissen und dachte, seine lockere ungezwungene Art würde auch in unseren vier Wänden funktionieren. Doch ich erntete lediglich ein verständnisloses Schulterzucken.
    »Na, wie findest du ihn?«, wollte ich auf dem Heimweg wissen.
    »Zu alt«, seufzte Karin.
    »Du bist ja blöd.« Und ich verlängerte meine Nase, um ihr kundzutun, dass sie wie Pinocchio aussah und man ihr eh nichts glauben durfte. Erneut erkrankte unsere Freundschaft an meiner Übellaunigkeit. Da half auch das beste Medikament nicht, ihre Entschuldigung.
     
     
    Kaum war Petre daheim, verzog er sich in den Keller. Dort stand jetzt sein Schreibtisch. Weil ich keinen vernünftigen Grund für meinen Besuch angeben konnte, schnauzte er mich an.
    »Dieses Kellerloch ist das Letzte an Privatsphäre, was ich besitze, hier unten hast du nun wirklich nichts zu suchen.« Mit einer ungeduldigen Armbewegung verwies er mich nach oben.
    »Ist was?«, versuchte ich Oberwasser zu gewinnen, doch er ging auf meine Bemerkung nicht ein. Damit ich nicht sehen konnte, woran er gerade arbeitete, legte er beide Arme auf den Tisch. Ich konnte aber doch etwas erkennen. Er versuchte einen Stoß reinweißes Papier zu bedecken. Auch auf die Frage, woher er das Papier hätte, bekam ich keine Antwort. »Kann ich dir nicht helfen oder wenigstens zuschauen? Ich will später auch studieren, weißt du.«
    »Komm in vier Jahren!« Wieder diese Wedelbewegung. Und mir wurde klar, so verscheucht man lästige Fliegen. Ein Gespräch unter Liebenden hatte ich mir anders vorgestellt.
    Zu Hause also war ich die kleine Verwandte, die ihm sein Zimmer streitig gemacht hatte und die ihm zusätzlich auf die Nerven ging.
    »Blöder Kerl«, fluchte ich und stampfte wieder nach oben.
    Den summenden Bienen des ersten Verliebtseins folgten hungrige Krokodile, die wütend gegen meine Magenwände anrannten. An diesem Tag bekam ich keinen Bissen herunter. Kalte Piftelle, rote Zwiebeln, Burduf und Brot standen auf dem Tisch.
    »Schau, du bist ein Krispindel«, klagte meine Großmutter, »und du wirst ein Krispindel bleiben.« Sie langte mit sichtlichem Appetit zu. »Magst erzählen?« Und nach einer Pause: »Du hast doch was?«
    »Alles prima.«
    Weil ich nichts mehr sagte, schaute sie auf, zog die gemalten Augenbrauen in die Höhe.
    »Sag nicht prima, in deinem Alter verschmäht man nicht grundlos das Essen. Du bist krank.«
    »Also gut, ich bin krank.«
    Kommentarlos hörte sie sich mein Schweigen an. Doch ihre Augenbrauen wollten zwei Brotscheiben lang nicht mehr nach unten wandern.
    »Warst du nicht gerade unten im Keller? No, ich will hören, was du jetzt für eine Geschichte präsentierst.«
    »Er studiert, aber er tut, als arbeite er an einem Staatsgeheimnis. Warum darf ich ihm nicht helfen?«
    »Weil er Ruhe braucht.« Sie deutete durch das offenstehende Fenster. »Schau, der Mond liegt auf dem Rücken.«
    »Pah! So viel Ruhe braucht kein Mensch.«
    Puscha schluckte den Bissen hinunter, legte die restliche Brotscheibe aufs Brettchen, klatschte in die Hände. »Bravo, du hast immer das letzte Wort. In Wahrheit aber weißt du einen Furz. Kotter in deiner eigenen Nase oder schau auf deine Schulsachen.« Sie biss in eine Gurke, Saft spritzte. »Der ischt niemandsch, dem mansch hinterherläuft. Der weisch, wasch er will, und holt es sich.«
    Während des Gesprächs hatte sie drei Schmalzbrote und doppelt so viele Salzgurken verspeist. Sie war nicht dick, nur wohlgerundet.
    Ich reichte ihr einen Zahnstocher, doch sie lehnte ab. Stattdessen pulte sie die Brotreste mit ihren langen Fingernägeln aus den Zahnlücken.
    »Dass du mich akkurat verstehst: Wir alle, die wir hier wohnen, sollten versuchen, uns so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen, vor allem du solltest darauf achten.«
    Sichtlich zufrieden, dass mir darauf nichts einfiel, lehnte sie sich zurück.
    Und merkte nicht einmal, wie sehr sie mich verletzt hatte.
    An diesem Abend verließ ich das Haus, ohne Bescheid zu sagen, ließ mich treiben, suchte nichts, fand aber den Weg zur Erikatante. Die Familie saß beim Essen. Die Zwillinge, die Eltern.
    »Wo ist der Großvater?«
    Alle unterbrachen das Kauen, schauten auf. Dann wurden Stühle gerückt und Türen aufgerissen.

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