Zusammen ist man weniger allein
durchzulassen, das zwischen zwei Ritzen hindurchflitzte.
Ich will mich nur vergewissern. Da bin ich jetzt, oder?
Als sie in die Küche kam, war er es, der zusammenfuhr:
»Oh! Sie sind da? Ich dachte, Sie schlafen.«
»Guten Tag.«
»Lestafier, Franck.«
»Camille.«
»Haben Sie meine … meine Nachricht gefunden?«
»Ja, aber ich …«
»Sind Sie am Umziehen? Brauchen Sie Hilfe?«
»Nein, ich … Ich habe nicht mehr als das, um ehrlich zu sein. Bei mir ist eingebrochen worden.«
»Oh Scheiße.«
»Sie sagen es. Was anderes fällt mir dazu auch nicht ein. Gut, ich werde mich wieder hinlegen, mir schwirrt der Kopf und …«
»Die Consommé, soll ich sie Ihnen zubereiten?«
»Pardon?«
»Die Consommé?«
»Was ist denn eine Consommé?«
»Na ja, die Brühe!« sagte er genervt.
»Oh Pardon. Nein, danke. Ich will erst ein wenig schlafen.«
»He!« rief er ihr nach, als sie schon im Flur war, »wenn Ihnen der Kopf schwirrt, dann liegt das daran, daß Sie nicht genug essen!«
Sie seufzte. Diplomatie, Diplomatie. So gut, wie der Typ aussah, sollte man den ersten Auftritt besser nicht vermasseln. Sie ging zurück in die Küche und setzte sich an den Tisch.
»Sie haben recht.«
Er murmelte etwas in seinen Bart. Na klar. Natürlich hatte er recht. Und Scheiße. Jetzt würde er sich verspäten.
Er wandte ihr den Rücken zu und legte los.
Er goß den Inhalt aus dem Topf in einen tiefen Teller, holte ein Stück Küchenpapier aus dem Kühlschrank und öffnete es vorsichtig. Irgendein grünes Zeug, das er über die dampfende Suppe streute.
»Was ist das?«
»Koriander.«
»Und die kleinen Nudeln, wie heißen die?«
»Japanperlen.«
»Ehrlich? Was für ein schöner Name.«
Er griff nach seiner Jacke und zog kopfschüttelnd die Wohnungstür zu:
Ehrlich? Was für ein schöner Name.
Zu blöd, die Tussi.
3
Camille seufzte, griff abwesend nach dem Teller und dachte an den Einbrecher. Wer hatte das getan? Das Treppenhausgespenst? Ein verirrter Besucher? War er über das Dach gekommen? Würde er wiederkommen? Sollte sie Pierre davon erzählen?
Der Geruch, vielmehr das Aroma dieser Brühe, hielt sie von weiteren Grübeleien ab. Mmm, duftete das herrlich, und sie war fast versucht, sich die Serviette über den Kopf zu legen, um damit zu inhalieren. Was war da nur drin? Es roch ganz eigen. Heiß, nach Fett, goldbraun wie Cadmium. Mit den durchsichtigen Perlen und den smaragdfarbenen Spitzen der Kräuterbeigaben war es wunderschön anzuschauen. Sie saß einige Sekunden regungslos, ehrerbietig da, hielt den Löffel vor sich und nahm dann ganz vorsichtig einen ersten Schluck, es war ziemlich heiß.
Wenn auch kein Kind mehr, war sie im gleichen Zustand wie Marcel Proust: »Gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in ihr vollzog«, und leerte andächtig ihren Teller, die Augen zwischen jedem Löffel geschlossen.
Vielleicht lag es nur daran, daß sie, ohne es zu wissen, am Verhungern gewesen war, oder daran, daß sie seit drei Tagen mit zusammengebissenen Zähnen Philiberts Tütensuppen hinunterschluckte, oder vielleicht auch daran, daß sie weniger geraucht hatte, eines jedenfalls stand fest: Noch nie in ihrem Leben hatte sie mit solchem Vergnügen allein gegessen.
Sie stand auf, um nachzuschauen, ob noch ein Rest im Topf war. Leider nein. Sie leckte ihren Teller leer, damit ihr kein Tropfen entging, schnalzte mit der Zunge, spülte ihr Geschirr und nahm das angebrochene Nudelpäckchen in die Hand. Sie schrieb »Top!« auf
Francks Zettel und verteilte ein paar Perlen darauf, dann ging sie wieder ins Bett und fuhr sich mit der Hand über den straffen Bauch.
Dank sei dir, lieber Jesus.
4
Von nun an erholte sie sich schnell. Franck sah sie nie, aber sie wußte, wann er da war: Türenklappern, Stereoanlage, Fernseher, lebhafte Telefongespräche, ordinäres Lachen, derbe Flüche, nichts davon war natürlich, das spürte sie. Er war unruhig und erfüllte die Wohnung mit seinem Leben wie ein Hund, der überall hinpinkelt, um sein Revier abzustecken. Manchmal hatte sie große Lust, in ihr Zimmer zurückzukehren, um ihre Unabhängigkeit wiederzuerlangen und niemandem etwas schuldig zu sein. Dann wieder nicht. Dann wieder schüttelte es sie schon beim Gedanken daran, erneut auf dem
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