Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
geschildert hat, und wurde von wenigen, seit langem dort verwurzelten Familien angeführt. In amerikanischen Städten gehört zu dieser führenden Stellung, dass man sich ehrenamtlich in den Aufsichtsgremien von Krankenhäusern, Wohlfahrtseinrichtungen, Schulen und Museen oder Kunstvereinen engagiert. Wenn jemand zum Vizepräsidenten eines Unternehmens aufstieg, so beobachtete Vance Packard Mitte des 20. Jahrhunderts, erwartete man von ihm, dass er in solch ein Aufsichtsgremium eintrat. Mit der zunehmenden Globalisierung der Unternehmen mieden immer mehr Führungskräfte solch ein Engagement. Nach einer Studie kommen von den Mitgliedern der Aufsichtsgremien New Yorker Krankenhäuser weniger als 3 Prozent aus Unternehmen, die ihren Hauptsitz im Ausland haben. 31 Dieser Rückgang des Engagements hat eher strukturelle als persönliche Gründe. Die Mitglieder der Führungsspitze vieler Unternehmen wechseln ständig von Stadt zu Stadt, von Land zu Land und werden nirgendwo heimisch.
Während des Booms gab es allerdings zwei Ausnahmen von diesem Mangel an Engagement. Jüdische Mitglieder der globalen Elite engagierten sich weiterhin in der Gesellschaft, da die Kultur des jüdischen Lebens in New York wie auch anderswo philanthropischen Aktivitäten und dem Dienst an der Gemeinschaft einen hohen Stellenwert einräumt. Die zweite Ausnahme sind die Aufsichtsgremien der Museen, da es sich hier um prestigeträchtige Positionen innerhalb eines Teilbereichs der Kunst handelt, der selbst zu einem globalen Geschäft geworden ist. Es ist üblich geworden, die Hochfinanz als einen »Club« zu bezeichnen, doch das gilt für die Elite insgesamt. Dieser spezielle Club ist allerdings anders. Nur wenige Mitglieder der Hochfinanz sind zum Beispiel der Century Association beigetreten, dem Club der Großen und Guten in New York. Obwohl kosmopolitisch, ist die Century doch allzu lokal.
Wie groß ist diese neue Elite? Die besten aktuellen Schätzungen beziehen sich auf die internationale Ebene. Nach einer Schätzung wurde die globale Finanzwelt vor dem Crash 2008 von 5 Wirtschaftsberatungsgesellschaften, 26 Anwaltskanzleien, 16 führenden Investmentbanken, 6 Zentralbanken und 2 Ratingagenturen beherrscht, deren Führungspersonal 2007 etwa 6000 Leute umfasste. 32 Als Satelliten der Spitzenleute gelten jene, die regelmäßig in direktem Kontakt mit ihnen stehen. Bei einem Verhältnis von 10 zu 1 zwischen Satelliten und Spitzenleuten ergibt sich für das internationale Führungspersonal der Finanzwelt eine Zahl von etwa 60 000 Personen. Nimmt man weiter großzügig an, dass ein Viertel dieser Elite in New York arbeitet, kommt man auf eine Zahl von höchstens 15 000 bei einer Gesamtbevölkerung von 8 Millionen.
In den Führungsetagen der New Yorker Unternehmen gibt es natürlich viele Einheimische, aber auch sie arbeiten im internationalen Geschäft. Erfolgreiche Manager scheinen, wie ein Personalleiter es ausdrückte, »ständig unterwegs« zu sein. Statt sich im Vereinsleben zu engagieren, haben sie sich in Manhattan kleine Inseln der Geselligkeit geschaffen, zum Beispiel in den Latenight-Restaurants der Stadt. Während des Booms in der Finanzbranche begannen diese Restaurants jene Leute zu bewirten, die an der Wall Street das große Geld machten. Nach 22 Uhr wurden sie zu Orten demonstrativen Konsums für Leute, die bereits den ganzen Tag miteinander verbracht hatten. Restaurants für diesen Kundenkreis haben ganz spezielle Merkmale: einen namhaften Küchenchef, ein gepflegtes, aber sparsames Dekor, eine Speisekarte mit international bekannten Gerichten, die allerdings einen »authentischen« lokalen Touch erhalten, indem man die Höfe nennt, von denen die Lebensmittel stammen. Die Restaurants hielten Magnum-, Doppelmagnum- und Methusalemflaschen der teuersten Weine bereit, die man bestellen konnte, um Geschäftsabschlüsse zu feiern. Ein Anwalt aus London oder ein Investor aus Hongkong kann diese Restaurants leicht finden und sich dort wie zu Hause fühlen – und genau darauf kommt es an.
Kein Wunder, dass die Elite der neuen Finanzdienstleistungsbranche sich als soziale Insel auf der realen Insel Manhattan von ihrer Umwelt abschottete. Diese Inselmentalität hat auch Einfluss auf das Verhalten innerhalb der Unternehmen und verstärkt noch den »Siloeffekt« im Umgang mit den eher lokal verwurzelten Untergebenen. Ich denke, just der empfundene Verlust dieses Inseldaseins steckt hinter den Klagen jener Leute, die während des Crashs
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