Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
mathematischen Werkzeuge sind für die Unternehmensführung oft ebenso undurchschaubar wie für das allgemeine Publikum. Bei Gesprächen mit den eigenen Fachleuten über die technischen Details solcher Instrumente scheinen die Manager abzuschalten. »Ich bat ihn, mir den Algo [Algorithmus] zu erklären«, erzählte eine Buchhalterin über ihren Porsche fahrenden, mit Derivaten handelnden Vorgesetzten, »aber er konnte es nicht. Er glaubte es einfach.« Der Inhalt einer Operation wird vernachlässigt. »Die meisten Kinder haben Computerfähigkeiten in ihren Genen«, meinte ein Mitarbeiter eines IT-Supportteams, »allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt … Wenn du ihnen zu zeigen versuchst, wie man die auf dem Bildschirm zu sehenden Zahlen erzeugt, werden sie ungeduldig. Sie wollen nur die Zahlen und interessieren sich nicht dafür, wo sie herkommen.« Dieser Techniker zeigte auch eine gewisse Bewunderung für Nick Leeson, den jungen Mann, der die Barings Bank ruinierte, indem er die Finanzzahlen manipulierte. Leeson interessierte sich dafür, wie die Zahlen zustande kamen, und erkannte dadurch auch Möglichkeiten zum Betrug.
Natürlich kann man nicht alles wissen, selbst wenn man durch das, was man nicht weiß, steinreich wird. Doch es geht nicht um Bescheidenheit, wenn Manager ausweichen und sich auf Smalltalk verlegen (etwa auf viel Gerede über Sport), statt sich zu bemühen, etwas zu lernen. Ein mit der Erzeugung von Algorithmen befasster Angestellter meinte über einen Manager seiner Investmentbank, der die Abteilung Goldhandel leitete: »Er ist ganz in Ordnung, ein netter Kerl, aber er hat mich noch nie nach meiner Meinung über irgendetwas gefragt. Vielleicht hat er Angst, sich zu blamieren oder ich könnte auf eigene Rechnung mit Gold handeln …« Wenn Inkompetenz sich hinter Sorglosigkeit versteckt, kommt das am Ende ans Licht. Immerhin bestimmt der Vorgesetzte, wo es langgeht. Ob nett oder nicht, er sagt, was gekauft oder verkauft werden soll. Auch wenn man ihm irgendwann misstraut, muss man seine Anweisungen befolgen.
Technische Mitarbeiter verwiesen für die Zeit vor dem Crash eher auf die Unachtsamkeit ihrer Vorgesetzten als auf deren schiere Unfähigkeit, Tabellen richtig zu interpretieren. In ihren Augen ging es eher um Einstellungen als um Eignung. Und sie gaben die Schuld weniger ihren direkten Vorgesetzten (von denen viele gleichfalls ihren Job verloren) als der Führungsspitze des Unternehmens, den Spitzenmanagern und Vorstandsmitgliedern, die offenbar nicht aufgepasst hätten. Doch wie die Mischung der einzelnen Faktoren auch beschaffen sein mag, die Folge ist ein umgekehrtes Verhältnis zwischen Kompetenz und hierarchischer Position, eine bittere Umkehrung, die das Vertrauen in die Oberen zerstört.
Neidvolle Vergleiche dieser Art verstärken noch den »Siloeffekt«. Der Wunsch zu kommunizieren schwindet, wenn kein wirkliches Interesse besteht zuzuhören. Angestellte, die dieses umgekehrte Verhältnis über längere Zeit erlebt haben, scheinen zu unermüdlichen Richtern über ihre Vorgesetzten zu werden, die in jedem noch so geringfügigen Tun Beweise dafür suchen, dass diese Chefs ihre Macht und ihre Vergünstigungen nicht verdienen. Das führt jedoch nicht dazu, dass diese Menschen sich wohlfühlten, denn sie sind in der Beziehung gefangen. Bei der Arbeit sind neidvolle Vergleiche unter diesen Umständen eher Anlass zu Verbitterung als zu heimlicher Genugtuung.
Macht zerstört Autorität
Das dritte Element des sozialen Dreiecks ist verdiente Autorität. Wenn diese Autorität groß ist, basiert sie nicht allein auf formaler oder technischer Kompetenz, sondern umfasst auch die sogenannte Führungsqualität und, stärker zugespitzt, ein offenes Gespräch mit Untergebenen statt bloßer Diktate. Zur ethischen Grundlage verdienter Autorität gehört außerdem die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für sich selbst und für die Gruppe. Im Rahmen des guanxi ist auch Ehre ein wesentlicher Bestandteil verdienter Autorität.
Bei unseren Informanten fand dieser ethische Rahmen für verdiente Autorität seinen Ausdruck in der praktischen Frage, ob und wie die Unternehmensführung sich beim Zusammenbruch 2008 für das Unternehmen einsetzte. Im Bankensektor machten sie einen deutlichen Unterschied zwischen Leuten wie Jamie Dimon, dem Vorstandsvorsitzenden von JP Morgan Chase, der sich größte Mühe gab, das Unternehmen zusammenzuhalten, und anderen, die Immobilien
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