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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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zurück, und es kommt zum posttraumatischen Stresssyndrom. In Liftons Untersuchung erweist sich eine Gruppe als relativ immun gegen diese retrospektive Bewertung: die der Cowboykrieger. Bei ihnen bildet der Narzissmus einen Schutzschild, der dafür sorgt, dass der Cowboykrieger im Rückblick nichts sieht, was er zu bedauern hätte. Diese Interpretation mag eindimensional erscheinen, aber sie findet ihre Bestätigung in jenen Kriegsverbrecherprozessen, in denen Soldaten einer bestimmten Art nicht verstehen können, warum man sie vor Gericht stellt. Die Verteidigungsstrategie, wonach sie nur Befehle befolgt hätten, hat für sie emotional keine Bedeutung, denn im Blick auf den Krieg erinnern sie sich nur an eines: dass es aufregend war.
    Der sozialistische Kitsch machte oft Anleihen bei Schlachtdarstellungen. Ein Beispiel sind die massenhaften Reproduktionen des großen Gemäldes von Eugène Delacroix, Die Freiheit führt das Volk , das während der Revolution von 1830 entstand. Diese Art von Kitsch fällt jedoch nicht in den Bereich narzisstischer Emotionen. Enger dürfte hier die Verbindung zu den Cowboykriegern der Finanzmärkte sein, die sich nicht um die Folgen ihrer Heldentaten scheren, wie in der Finanzmarktkrise 2008 deutlich wurde.
    Im zweiten Kapitel haben wir uns mit der Frage befasst, wie sich ein Gleichgewicht zwischen Kooperation und Konkurrenz herstellen lässt. Im Krieg hängt dieses Gleichgewicht von der engen Zusammenarbeit innerhalb der Staffel oder des Zuges ab. Studien über das militärische Leben zeigen immer wieder, dass Soldaten eher bereit sind, ihr Leben für Kameraden aufs Spiel zu setzen als für eine Ideologie. 14 Diese enge kooperative Bindung gehört zum Ehrenkodex des Soldaten. An der Wall Street suchte man solche Selbstaufopferung während des Crashs zweifellos vergebens. Im Gegenteil, dort wiesen Führungskräfte, wie wir gesehen haben, die Verantwortung oft ohne Gewissensbisse von sich: »Wir alle sind Opfer.« Ein Ehrenkodex wie bei Offizieren kam hier nicht zum Zuge. Liftons Vorstellung von Narzissmus als Schutzschild, der für eine emotionale Betäubung der Akteure sorgt, könnte der Erklärung dieses Verhaltens die nötige psychologische Tiefe verleihen.
    Der Krieg enthüllt noch ein weiteres Moment des Narzissmus. Zu Beginn der Neuzeit verschob sich im sozialen Verhaltenskodex die Betonung von ritterlichen hin zu höflichen Umgangsformen. Besonders deutlich zeigte sich dieser Wandel im Ersatz des ritterlichen Kriegerkodex durch friedlichere soziale Bande. Dazu war es jedoch erforderlich, dass sich ein bestimmter Charaktertyp herausbildete, der eher ein selbstironisches und indirektes als ein aggressives Verhalten an den Tag legte und dem Subjektiven den Vorzug gab, ein Charaktertyp, dessen Kern in der Selbstbeherrschung lag. Umgangsformen dieser Art wirken dem Narzissmus entgegen. Ein verwandter Wert findet sich allerdings schon in der soldatischen Ehre, denn dort hängt das Überleben der Gruppe davon ab, dass man das grandiose Selbst im Zaum hält.
    Der Narzissmus ist also eines der Elemente, die den Rückzug von anderen Menschen fördern. In der Regel ist er aber mit einem weiteren Element vermischt: der Selbstzufriedenheit, was die eigene Stellung in der Welt angeht.

Selbstzufriedenheit

    Selbstzufriedenheit scheint etwas ganz Einfaches zu sein. Alles erscheint gut, wie es gerade ist. Selbstzufriedenheit kennzeichnet den Dr. Pangloss in Voltaires Candide , der bekanntlich glaubte, es sei alles zum Besten bestellt »in der besten aller möglichen Welten«. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Gefühl der Sicherheit und dem der Selbstgefälligkeit. Wenn wir uns innerlich sicher fühlen, sind wir bereit, zu experimentieren und Neugier zu entwickeln. Solch ein Gefühl innerer Sicherheit prägte die von Steven Shapin beschriebenen Gentlemen-Amateure der frühen Neuzeit. Der Soziologe Anthony Giddens spricht hier von »ontologischer Sicherheit« im Sinne der Erwartung, dass bei allen Höhen und Tiefen im Leben doch eine Kontinuität besteht und die Erfahrungen sich zu einem Ganzen zusammenfügen werden. 15 Selbstzufriedenheit schaut dagegen weder nach außen, noch ist sie in Giddens’ Sinne ontologischer Natur. Sie ist vielmehr mit dem Narzissmus verwandt, insofern sie davon ausgeht, dass die Erfahrung einem bereits bekannten Muster entsprechen wird. Diesen Unterschied zwischen Sicherheit und Selbstzufriedenheit hat Martin Heidegger philosophisch entfaltet.

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