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Zwanghafte Gier

Zwanghafte Gier

Titel: Zwanghafte Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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hereinkommt, sich eine Selbstgedrehte anzündet und Frankie beobachtet.
    Frankie rührt sich nicht.
    »Mach schon«, drängt er. »Nimm deine gesunde Hand.«
    Halbherzig hebt sie die linke Hand, und das Insekt fliegt davon.
    »Kann keiner Fliege was zuleide tun«, sagt Bo.
    Und lächelt sie an.
    Das Lächeln, dieses besondere Lächeln, bringt das schlechte Gefühl von vor ein, zwei Augenblicken wieder zurück – wie das, das sie empfunden hat, als er sie aus dem Krankenhaus zum ersten Mal hierher gebracht hat, nur dass es sich damals wie ein Schlag anfühlte. Nun fühlt es sich mehr wie ein Blitz in ihrem Geist an, scharf wie eine Schwertklinge. Aber wieder einmal ist sie nicht sicher, warum das so ist.
    Sie erinnert sich daran, vor zwei Nächten aufgewacht zu sein und gedacht zu haben, sie hätte einen Herzinfarkt, weil ihr Herz wie eine Trommel geschlagen und sie geschwitzt hatte. Sie wusste, dass irgendetwas sie geängstigt hatte, irgendetwas im Zusammenhang mit Bo, glaubte sie, irgendetwas Schreckliches, aber sie wusste nicht, was. Und sie muss ein Geräusch gemacht haben. Vielleicht hat sie sogar geschrien, denn plötzlich war er bei ihr im Wohnzimmer gewesen und hatte neben dem kleinen Bett gekauert.
    »Das war nur ein böser Traum, Baby«, hatte er ihr gesagt. »Mehr nicht.«
    Und es war wieder verschwunden, und sie war froh, dass es verschwunden war, verdammt froh.
    Doch sie weiß, dass es noch immer dort ist, dass es irgendwo in ihrem Hinterkopf lauert, dieses dunkle, böse Etwas , und Frankie weiß noch immer nicht, was es ist. Sie weiß nur, dass es ihr schwerfällt, daran zu denken, und sie will auch nicht daran denken. Es gibt viele Dinge, an die sie dieser Tage nicht denken will – zum Beispiel, dass sie noch immer nicht ihre rechte Hand benutzen oder richtig gehen kann. Und sie hat festgestellt, dass diese Dinge sie bei weitem nicht so quälen, wenn sie einfach nicht daran denkt ...
    »Das passt so ganz und gar nicht zu dir«, sagt Bo nun, »dich mit ihnen abzufinden.«
    Einen Augenblick lang weiß sie nicht, wovon er redet.
    »Diese dreckigen kleinen Mistviecher«, sagt er und erschlägt eine weitere Fliege.
    Dieses eine Wort geht ihr eine Weile im Kopf herum, bereitet ihr Sorgen.
    Dreckig.
    Und dann verdrängt sie auch das, und es verschwindet genauso, wie die Fliege verschwunden ist.

57
    »Das beunruhigt mich noch immer ein wenig«, sagte Alex an diesem Abend zu Jude, als sie unterhalb des White Horse Hotels am Strand von Rottingdean entlangspazierten. »Ich weiß, dass es Sinn ergibt, was Marian Taub gesagt hat – von wegen einem Schritt nach dem anderen –, und ich weiß auch, dass ich eigentlich erleichtert sein sollte, weil Frankie sich wegen der Unordnung keinen Stress macht.«
    »Das hört sich allmählich an, als wolltest du Marians Job übernehmen«, bemerkte Jude.
    Alex lachte. »Keine schlechte Idee. Ist schließlich besser bezahlt.«
    »Aber um zum Thema zurückzukommen ...«, sagte Jude. »Du hast gesagt, Bolin würde das Haus ganz gut sauber halten.«
    »›Ganz gut‹ wäre aber normalerweise nicht annähernd gut genug für Frankie.« Alex hakte sich bei Jude unter. »Und ich bin immer noch überrascht, dass keiner von beiden Hilfe annehmen will.«
    »Vielleicht will Frankie ja nicht, dass jemand anders in ihrem Haus putzt«, meinte Jude. »Und vielleicht weiß Bolin das – oder er schert sich einen Dreck um Hygiene.«
    »Oder um Frankies Gefühle?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber gedacht, nicht wahr?«
    Jude zuckte mit den Schultern.
    Sie spazierten weiter und genossen den Sonnenuntergang und das sanfte Rauschen der Wellen an den Felsen, regelmäßig wie ein Puls. Die Temperaturen waren noch immer hoch, doch die Windrichtung hatte sich geändert, und die Abendluft roch so frisch wie seit längerem nicht mehr.
    »Bolin ist sehr zärtlich zu Frankie«, bemerkte Alex.
    »Es ist tröstlich zu wissen, dass dieser bigotte Schläger noch eine weiche Seite hat«, entgegnete Jude.
    »Meinst du, dass du dich in Bolin geirrt haben könntest?«
    »Vielleicht.«
    Alex schaute ihn von der Seite her an. »Aber du glaubst es nicht wirklich, stimmt’s?«
    »Ich würde gern«, sagte Jude. »Um Frankies willen.«
    Als sie mit einer Pizza, die sie sich unterwegs geholt hatten, am Melton Cottage eintrafen, war die Haustür zwar verschlossen, dennoch war jemand ins Haus eingebrochen.
    »Die Hintertür«, flüsterte Alex. »Verdammt, Jude.«
    Hand in Hand gingen sie in die Küche und sahen,

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