Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
das verwickelt!« sprach Porthos. »Wo anfangen?«
»Das trifft sonderbar zusammen: Seine Eminenz gibt mir ein Rendezvous in einer halben Stunde.«
»Gut.«
»Mein Freund,« sagte d'Artagnan zu dem Diener gewendet, »meldet Sr. Eminenz, daß ich in einer halben Stunde dem Befehl nachkommen werde.« Der Bediente verneigte und entfernte sich. »Zum Glücke hat er den anderen nicht gesehen,« sagte d'Artagnan. »Glaubst du, sie lassen dich aus einer und derselben Ursache holen?«
»Ich glaube es nicht, ich bin dessen gewiß.«
»Also auf, d'Artagnan, schnell! Bedenke, daß dich die Königin erwartet, nach der Königin der Kardinal und nach dem Kardinal ich.« D`Artagnan rief den Diener der Königin Anna und sagte: »Hier bin ich, mein Freund, führet mich.« Der Bediente führte ihn ins Palais-Royal. Ein leichtes Geräusch störte die Stille des Betzimmers, in dem d'Artagnan wartete. Er fuhr zusammen und sah, wie eine weiße Hand die Tapete aufhob, und an ihrer Form, Weiße und Schönheit erkannte er die königliche Hand, die ihm einst zum Kusse dargereicht wurde. Die Königin trat ein. »Ihr seid es, Herr d'Artagnan,« sprach sie und richtete auf den Offizier einen Blick huldreicher Schwermut; »Ihr seid es, ich kenne Euch wohl. Seht mich an, ich bin die Königin; erkennt Ihr mich?«
»Nein, Madame,« erwiderte d'Artagnan.
»Wißt Ihr denn nicht mehr,« fuhr die Königin Anna fort, und zwar in jenem entzückenden Tone, den sie, wenn sie wollte, ihrer Stimme zu geben wußte, – »daß einstmals die Königin eines wackern und treuergebenen Kavaliers bedurfte, daß sie diesen Kavalier auch fand, und daß sie ihm, wiewohl er glauben konnte, sie habe ihn vergessen, einen Platz in ihres Herzens Grunde aufbewahrt hat?«
»Nein, Ihre Majestät, ich wußte das nicht,« versetzte der Musketier.
»Desto schlimmer, mein Herr, desto schlimmer,« sprach Anna, »wenigstens für die Königin, denn die Königin bedarf heute wieder desselben Mutes und derselben Ergebenheit.«
»Wie doch,« entgegnete d'Artagnan, »die Königin, welche von so getreuen Dienern, von so weisen Räten, kurz, von Männern umgeben ist, die durch Rang und Verdienst so hoch stehen, würdigt einen geringen Soldaten ihres Augenmerkes?«
»Was Ihr mir da von denjenigen sagt, die mich umgeben, d'Artagnan, ist vielleicht wahr,« sprach die Königin, »allein ich habe nur zu Euch allein Vertrauen. Ich weiß es wohl, Ihr gehört dem Kardinal an, jedoch gehört Ihr auch mir an, und ich nehme es auf mich, Euer Glück zu gründen. Sagt an, werdet Ihr heute dasselbe tun, was einst für die Königin jener Edelmann getan hat, den Ihr nicht kennet?«
»Ich werde alles das tun, was Ihre Majestät befiehlt,« erwiderte d'Artagnan. Die Königin dachte ein Weilchen nach, und da sie die gespannte Haltung des Musketiers sah, so sagte sie: »Ihr habt vielleicht die Ruhe gern?«
»Das weiß ich nicht, Madame, da ich mich niemals ausgeruht habe.«
»Habt Ihr Freunde?«
»Ich halte deren drei. Zwei haben Paris verlassen, und ich weiß nicht, wohin sie gereist sind. Ein einziger ist mir geblieben, wie ich aber glaube ist, er einer von denen, die den Kavalier kennen, dessen Ihre Majestät zu erwähnen geruht hat.«
»Gut,« versetzte die Königin. »Ihr und Euer Freund gelten zusammen ein Heer.«
»Was habe ich zu tun, Madame?«
»Kommt um fünf Uhr wieder, und ich will es Euch sagen. Jedoch, mein Herr, sprecht mit keiner lebenden Seele von diesem Stelldichein.«
»Nein, Madame.«
»Schwört es bei Gott!«
»Madame, ich habe noch nie mein Wort gebrochen; wenn ich sage: Nein, so ist es Nein!«
»Hat Ihre Majestät für diesen Moment für mich keinen anderen Befehl?«
»Nein, mein Herr,« entgegnete Anna, »und Ihr könnet Euch bis zu dem angegebenen Augenblicke zurückziehen.« D'Artagnan verneigte und entfernte sich. Da inzwischen die halbe Stunde verstrichen war, so ging er über die Galerie und pochte an die Türe des Kardinals; Vernouin führte ihn ein. »Gnädigster Herr,« sprach er, »ich stelle mich zu Ihren Befehlen.« D'Artagnan warf, seiner Gewohnheit gemäß, einen raschen Blick um sich und sah, daß Mazarin einen versiegelten Brief vor sich habe; nur lag derselbe mit der Aufschrift nach unten gekehrt auf dem Schreibpulte, wonach er unmöglich sehen konnte, an wen er adressiert war. »Ihr kommt von der Königin?« sagte Mazarin und faßte d'Artagnan fest ins Auge. »Ich, gnädigster Herr? Wer hat das gesagt?«
»Niemand, allein ich weiß es.«
»Ich
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