Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
überdeckte, auf dem ein vollständiger, perlgrauer und granatfarbiger, ganz mit Silberborten verbrämter Kavalieranzug lag.« »Wenn sich Ew. Eminenz verkleidet, so wird es leichter sein.« »Ha,« rief Mazarin, Atem holend. »Doch muß Ew. Eminenz tun, was Sie neulich gesagt haben, das Sie an unserer Stelle getan hätten.« »Was soll ich denn tun?« »Rufen: »Nieder mit Mazarin!« »Ich will es rufen.« »Französisch und gut französisch, gnädigster Herr, achten Sie wohl auf den Akzent; man hat uns in Sizilien sechstausend Anjouer ermordet, weil sie das Italienische schlecht ausgesprochen haben. Haben Sie acht, daß die Franzosen wegen der sizilianischen Vesper nicht Wiedervergeltung nehmen.« »Ich will mein möglichstes tun.« »Es gibt auf den Straßen gar viele bewaffnete Leute.« begann d'Artagnan wieder. »Sind Sie versichert, daß niemand um den Plan der Königin weiß?« Mazarin sann nach. »Das wäre für einen Verräter ein schönes Geschäft, gnädigster Herr, das Sie mir da antragen; ein zufälliger Angriff würde alles entschuldigen.« Mazarin schauderte, dachte aber, daß ein Mann, der ihn warne, nicht auch die Absicht habe, ihn zu verraten. Er sprach: »Ich vertraue mich somit auch nicht jedem an, und der Beweis ist, daß ich Euch zu meiner Bedeckung auserwählte.« »Reisen Sie nicht zugleich mit der Königin?« »Nein,« erwiderte Mazarin. So reisen Sie erst nach der Königin ab?« »Nein,« sprach Mazarin abermals. »Ha,« rief d'Artagnan, der nun zu begreifen anfing. »Ja, ich habe meine Pläne,« fuhr der Kardinal fort. »Mit der Königin verdopple ich die möglichen Gefahren, die ihr drohen; nach der Königin verdoppelt ihre Abreise die Gefahr der meinigen; denn ist der Hof einmal gerettet, so kann man mich vergessen; die Großen sind undankbar.« »Das ist wahr,« entgegnete d'Artagnan und richtete unwillkürlich die Blicke auf den Diamant der Königin, welchen Mazarin am Finger trug. Mazarin folgte der Richtung seiner Blicke, und drehte den Stein des Ringes langsam nach innen. »Ich will sie also verhindern, gegen mich undankbar zu sein,« sprach Mazarin mit seinem feinen Lächeln. »Die christliche Liebe will, daß man seinen Nächsten nicht in Versuchung führe,« bemerkte d'Artagnan. »Eben deshalb will ich vor ihnen abreisen,« sprach Mazarin. D'Artagnan lächelte, da er schlau genug war, um diese Hinterlist zu verstehen. Mazarin bemerkte das Lächeln, nützte den Augenblick und sagt«: »Nicht wahr, lieber d'Artagnan, Ihr werdet nun damit anfangen, daß Ihr mich zuerst von Paris wegbringet?« »Gnädigster Herr, dieser Auftrag ist schwierig,« entgegnete d'Artagnan und nahm wieder seine ernste Miene an. »Aber,« sprach Mazarin und faßte ihn fest ins Auge, damit ihm kein Ausdruck seiner Züge entging, »aber Ihr habt nicht dasselbe in bezug auf den König und die Königin bemerkt.« »Der König und die Königin sind mein König und meine Königin,« erwiderte der Musketier; »mein Leben gehört ihnen, ich bin es ihnen schuldig. Sie sollen es von mir fordern, ich habe nichts dagegen zu fordern.« »Das ist wohl wahr,« murmelte Mazarin, »allein da dein Leben nicht mir gehört, so muß ich's von dir erkaufen, nicht so?« Er stieß dabei einen tiefen Seufzer aus, und drehte den Diamant seines Ringes wieder langsam nach außen. D'Artagnan lächelte. Diese zwei Männer verstanden sich in einem Punkte, in der Arglist. Hätten sie sich ebenso gut im Mute verstanden, so würde einer den andern große Dinge haben verrichten lassen. »Wenn ich Euch also um diesen Dienst ersuche,« begann Mazarin wieder, »so werdet Ihr wohl einsehen, daß ich dafür auch erkenntlich sein wolle.« »Hat Eure Eminenz diesen Gedanken?« fragte d'Artagnan. »Da seht und nehmt, lieber Herr d'Artagnan,« sprach Mazarin, indem er den Ring vom Finger zog, »das ist der Diamant, der Euch einst angehört hat, es ist gerecht, daß er Euch wieder zukomme, ich bitte Euch also, nehmt ihn.« D'Artagnan ließ nicht lange in sich dringen, er nahm den Stein, und als er sich von der Reinheit seines Wassers überzeugt, steckte er ihn mit einem unsäglichen Vergnügen an den Finger. »Ich habe sehr viel auf ihn gehalten,« sprach Mazarin, indem er ihm einen letzten Blick nachschickte, »aber gleichviel, ich gebe ihn Euch mit großem Vergnügen.« »Und ich, gnädigster Herr, ich nehme ihn an, wie er mir gegeben wird. – Lassen Sie uns nun von Ihren Angelegenheiten reden, Sie wollen vor allen andern abreisen?« »Ja, ich bin
Weitere Kostenlose Bücher