Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
den verwegensten Plänen.
Aramis berichtete ihnen alles, was abgemacht wurde: d'Artagnan billigte es durch Kopfnicken, Porthos mit der Stimme. Aramis verzehrte schnell einen Bissen, trank ein Glas Wein und wechselte den Anzug. Dann sprach er: »Nun begebe ich mich zu Seiner Ehrwürden. Ihr tragt Sorge, die Waffen instand zu setzen, Porthos, und Ihr, d'Artagnan, bewacht Euren Scharfrichter gut.«
»Seid unbekümmert, Grimaud hat Mousqueton abgelöst und er hat über ihm den Fuß.«
»Gleichviel, verdoppelt Eure Wachsamkeit und bleibt keinen Augenblick lang untätig.«
»Untätig, mein Lieber?« rief Porthos. »Ich lebe nicht, ich bin unablässig auf den Füßen und gleiche einem Tänzer. Bei Gott! wie sehr liebe ich in diesem Augenblicke Frankreich, und wie gut ist es, ein Vaterland zu haben, wenn man sich so schlecht in einem anderen Lande befindet.« Aramis schied von ihnen, wie er von Athos geschieden war, indem er sie nämlich umarmte; sodann ging er zu dem Bischof Juxon, dem er seine Bitte vortrug. Juxon willigte um so leichter ein, Aramis mitzunehmen, als er schon vorausgesehen hatte, daß er für den gewissen Fall, wo der König das Abendmahl empfangen wollte, und vorzüglich für den wahrscheinlichen Fall, wo der König eine Messe zu hören wünschte, eines Gehilfen bedürfen würde.
Der Bischof stieg in derselben Kleidung, welche Aramis tags zuvor hatte, in den Wagen, und nach ihm stieg Aramis ein, der mehr noch durch seine Blässe und Traurigkeit, als durch seinen Anzug entstellt war. Der Wagen hielt ungefähr um neun Uhr morgens am Tore von White-Hall. Es schien sich da nichts verändert zu haben; die Vorgemächer und Plätze waren voll Wachen, wie tags vorher. Zwei Schildwachen standen an der Türe des Königs, zwei andere schritten auf dem Ballon hin und her, wo auf das Schafott bereits der Block gestellt war. Der König war der Hoffnung voll, und als er Aramis wiedersah, ging diese Hoffnung in Freude über. Er umarmte Juxon und drückte Aramis die Hand. Der Bischof sprach absichtlich laut und vor jedermann mit dem Könige über ihr Gespräch vom gestrigen Abend. Der König erwiderte: »Die Worte dieser Unterredung hätten bereits ihre Früchte getragen und er wünschte sich abermals solch eine Unterredung.« Juxon wandte sich zu den Anwesenden mit der Bitte, sie möchten ihn mit dem König allein lassen. Alle gingen hinaus. Als die Türe wieder geschlossen war, sprach Aramis schnell: »Sire, Sie sind gerettet, der Scharfrichter von London ist verschwunden; sein Gehilfe hat gestern unter den Fenstern Ew. Majestät das Bein gebrochen; jener Schrei, den wir vernahmen war der seinige. Man ist das Verschwinden des Scharfrichters sicher schon gewahr geworden, doch gibt es keinen nähern Scharfrichter als in Bristol, es braucht Zeit, um ihn zu holen, und somit haben wir wenigstens Zeit bis morgen.«
»Allein der Graf de la Fère?« fragte der König. »Er ist zwei Fuß weit von Ihnen, Sire; nehmen Sie die Feuerzange und machen Sie drei Schläge, so werden Sie ihn antworten hören.« Der König nahm mit bebender Hand die Feuerzange und klopfte damit dreimal in gleichen Zwischenräumen. Allsogleich erschallten dumpfe und vorsichtige Stöße unter dem Fußboden und gaben Antwort auf das gegebene Zeichen. »Der mir da antwortet, ist also...?« »Es ist der Graf de la Fère, Sire,« entgegnete Aramis. »Er bereitet den Weg vor, durch den Ew. Majestät wird entschlüpfen können. Parry wird seinerseits die Marmorplatte emporheben und damit einen Durchgang öffnen.«
»Ich habe aber keine Werkzeuge,« bemerkte Parry. »Nehmt diesen Dolch hier,« versetzte Aramis; »nur gebt acht, daß Ihr ihn nicht allzusehr abstumpft, denn er könnte Euch wohl noch zu etwas anderem dienen, als den Stein hohl zu machen.«
»O Juxon!« sprach Karl zu dem Bischof gewendet, dessen beide Hände er ergriff, »o Juxon! achtet auf die Bitte desjenigen, der Euer König war.«
»Der es noch ist und der es immer sein wird,« erwiderte Juxon und küßte die Hand seines Fürsten. »Betet Euer Leben lang für diesen Edelmann hier, betet für den andern, welchen Ihr unter unseren Füßen hört und betet noch für zwei andere, von denen ich überzeugt bin, daß sie, wo sie auch sein mögen, für meine Rettung Sorge tragen.«
»Sire,« entgegnete Juxon, »Ihr Befehl wird vollzogen werden. Ich werde täglich, so lange ich lebe, für diese ergebenen Freunde Ew. Majestät zu Gott beten.« Athos fuhr noch eine Weile in seiner Arbeit fort, die
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