Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
sie die Arme aus und sank blaß und bewußtlos in die Arme ihrer Frauen und ihrer Tochter. Athos küßte den Saum von dem Kleide der unglücklichen Witwe, richtete sich wieder mit einer Majestät empor, welche einen tiefen Eindruck auf die Anwesendem machte, und sprach: »Ich, Graf de la Fère, Edelmann, der nie gelogen, ich schwöre zuvörderst vor Gott und sodann vor dieser armen Königin, daß wir auf Englands Boden zur Rettung des Königs alles getan haben, was zu tun möglich war. Nun, Chevalier,« fügte er, zu d'Herblay gewendet, hinzu, »nun laßt uns gehen, unsere Verpflichtung ist erfüllt.«
»Noch nicht,« erwiderte Aramis, »es erübrigt uns noch, mit diesen Herren ein Wort zu sprechen.« Dann wandte er sich wieder zu Châtillon und sagte: »Mein Herr, beliebt es Euch nicht, hinaus zu gehen, wäre es auch nur für einen Augenblick, um dieses Wort zu hören, welches ich in Gegenwart der Königin nicht aussprechen kann?« Châtillon verneigte sich, ohne zu antworten, zum Zeichen der Einwilligung. Athos und Aramis gingen voraus, Châtillon und Flamarens folgten; sie gingen durch den Vorsaal, ohne ein Wort zu sprechen, als sie aber zu einer Terrasse kamen, die mit einem Fenster in gleicher Höhe lag, nahm Aramis den Weg zu dieser ganz einsamen Terrasse, blieb an dem Fenster stehen, wandte sich zu dem Herzog von Châtillon und sprach: »Mein Herr! Ihr habt Euch eben herausgenommen, uns sehr übermütig zu begegnen. Das ist durchaus und in keinem Falle annehmbar, und noch weniger für Männer, welche der Königin die Botschaft eines Lügners überbrachten.«
»Mein Herr!« rief Châtillon. »Was habt Ihr denn mit Herrn von Bruy gemacht?« fragte Aramis höhnisch. »Sollte er etwa sein Antlitz verändern, das dem des Herrn von Mazarin gar zu ähnlich war? Im Palais-Royal gibt es bekanntlich eine beträchtliche Anzahl italienischer Masken...«
»Ha, mich dünkt, daß Ihr uns herausfordert,« sagte Flamarens. »Ah, meine Herren, es dünkt Euch nur?«
»Chevalier, Chevalier!« rief Athos. »Ei, laßt mich gewähren,« entgegnete Aramis mit Unmut, »Ihr wißt doch, daß ich die Dinge nicht mag, die nur halb getan sind.«
»Kommt also ans Ende, mein Herr,« verfetzte Châtillon mit einem Hochmut, der dem von Aramis in nichts nachstand. Aramis verneigte sich und sagte: »Meine Herren, ein anderer als ich oder der Graf de la Fère ließe Euch festnehmen, denn wir haben in Paris einige Freunde; allein wir bieten Euch ein Mittel an, abzureisen, ohne behelligt zu werden. Kommt und plaudert mit uns fünf Minuten lang mit dem Schwerte in der Hand auf dieser einsamen Terrasse.«
»Recht gern,« erwiderte Châtillon. »Einen Augenblick, meine Herren,« sprach Flamaiens, »ich weiß wohl, daß der Antrag verlockend ist, doch ist es uns in diesem Momente nicht möglich, ihn anzunehmen.« »Weshalb nicht?« fragte Aramis in seinem scherzhaften Tone. »macht Euch etwa die Nähe Mazarins so vorsichtig?« »O, hört Ihr, Flamarens?« fragte Châtillon, »wenn ich nicht antworte, so wäre das ein Brandmal für meinen Namen und meine Ehre.« »Das ist auch meine Ansicht,« versetzte Aramis kalt. »Ihr werdet aber nicht antworten, und ich bin überzeugt, diese Herren werden sogleich meine Ansicht teilen.« Aramis schüttelte den Kopf mit einer Miene ungläubigen Trostes. Châtillon bemerkte diese Miene, und griff an sein Schwert. »Herzog,« sprach Flamarens, »Ihr vergesset, daß Ihr morgen ein überaus wichtiges Unternehmen leitet, und daß Ihr, von dem Prinzen ausersehen, und von der Königin angenommen, Euch bis morgen abend nicht selber angehört.« »Wohlan denn, also auf übermorgen,« sagte Aramis. »Übermorgen, daß ist sehr lange, mein Herr,« entgegnete Châtillon. »Nicht ich bestimme diesen Zeitpunkt,« erwiderte Aramis, »zumal,« fügte er hinzu, »als man sich bei diesem Unternehmen treffen könnte« »Ja, Ihr habt recht, mein Herr!« rief Châtillon, »und mit großem Vergnügen, wenn Ihr Euch bemühen wollet, bis an die Tore von Charenton zu kommen.« »Ha doch, mein Herr, ich würde um der Ehre willen. Euch zu treffen, bis ans Ende der Welt gehen, um so mehr werde ich in dieser Rücksicht ein paar Stunden Weges machen.« »Nun denn, mein Herr, auf morgen.« »Ich rechne darauf. Somit gehet wieder zu Eurem Kardinal, schwört mir aber zuvor auf Eure Ehre, daß Ihr ihm unsere Rückkehr nicht melden werdet.« »Bedingnisse?« »Weshalb denn nicht?« »Weil es den Siegern zukommt, Bedingnisse zu stellen, und Ihr
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