Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
stille! darf ich denn solches anhören? Das ist ein hübsches Gespräch für einen Offizier des Königs; ich sehe wohl, gnädigster Herr, ich muß mir noch einen zweiten Grimaud suchen.«
»Geht doch, reden wir nicht davon. Es war also zwischen dir und dem Kardinal die Rede von mir? Laß mich doch, wenn du einmal wieder gerufen wirst, la Ramèe, deine Kleider anziehen und hingehen, meine Rache zu üben – und ich würde, wenn es Bedingung wäre, auf Edelmannswort wieder in das Gefängnis zurückkehren.«
»Gnädigster Herr, ich sehe wohl, daß ich Grimaud rufen muß.«
»Ich habe Unrecht. – Und was sagte dir der Küster?«
»Ich sehe Ihnen dieses Wort nach, gnädigster Herr,« versetzte la Ramèe mit schlauer Miene, »denn es reimt sich auf Minister. Was er mir sagte? Nun, er befahl mir, Sie streng zu hüten.«
«Und weshalb solltet Ihr mich hüten?« fragte der Herzog düster.
»Weil ein Astrolog prophezeit hat, Sie würden entschlüpfen.«
»Ha, ein Astrolog prophezeite das?« sprach der Herzog mit unwillkürlichem Erbeben.
»Ach, mein Gott, ja, diese albernen Zauberer wissen auf Ehre nicht, was sie ersinnen sollen, um ehrbare Leute zu quälen.«
»Und was hast du der erlauchten Eminenz geantwortet?«
»Daß, falls dieser Astrolog Kalender mache, ich ihm anrate, keine davon zu verkaufen.«
»Weshalb?«
»Weil Sie erst Fink oder Zaunkönig werden müßten, um zu entwischen.«
»Du hast leider ganz recht, la Ramèe; doch spielen wir jetzt eine Ballpartie.«
»Ich bitte Eure Hoheit um Vergebung, allein Sie müssen mir eine halbe Stunde nachsehen.«
»Warum das?«
»Weil Seine Gnaden Mazarin, weit stolzer als Sie, wiewohl nicht ganz von so hoher Geburt, darauf vergessen hat, mich auf ein Frühstück einzuladen.«
»Nun, willst du, daß ich dir ein Frühstück hierher bestelle?«
»O nein, gnädigster Herr, ich muß Ihnen sagen, daß der Pastetenbäcker, der dem Schlosse gegenüber wohnte, und Vater Marteau genannt wurde –«
»Nun?«
»Sein Geschäft vor acht Tagen an einen Pastetenbäcker in Paris verkauft hat, und diesem haben die Ärzte, wie es scheint, die Landluft angeraten.«
»Nun, was soll das mich angehen?«
»Warten Sie doch, gnädigster Herr; dieser verfluchte Pasteienbäcker hat vor seiner Bude eine Menge Ding», bei denen einem das Wasser in den Mund tritt.«
»Leckermaul!«
»Ach, mein Gott, gnädigster Herr,« entgegnete la Ramèe, »man ist ja darum noch kein Leckermaul, wenn man gerne gut speist. Es liegt schon in der Natur des Menschen, nach Vollkommenheit bei Backwerken wie bei anderen Dingen zu trachten. Nun muß ich Ihnen aber sagen, gnädigster Herr, daß dieser Schlingel von Pastetenbäcker, als er mich vor seiner Bude anhalten sah, ganz keck herbeitrippelte und mir sagte: ›Herr la Ramée, Sie müssen mir die Kundschaft der Gefangenen des Schlosses verschaffen. Ich kaufte das Geschäft meines Vorgängers auf seine Versicherung hin, daß er für das Schloß liefere und dennoch, auf Ehre, Herr la Ramée, ließ Herr von Chavigny seit den acht Tagen, als ich das Geschäft betreibe, noch keine kleine Torte bei mir nehmen.‹
›Es ist aber wahrscheinlich,‹ gab ich ihm zur Antwort, ›daß Herr von Chavigny fürchtet, Euer Backwerk möchte nicht gut sein.‹
›Ha, mein Backwerk nicht gut? Wohlan, Herr la Ramée, ich will Sie zum Richter machen, und das auf der Stelle.‹
›Ich kann nicht,‹ erwiderte ich, ›da ich durchaus in das Schloß zurückkehren muß.‹
›Nun denn,‹ versetzte er, ›gehen Sie an Ihr Geschäft, da Sie es so eilig zu haben scheinen, doch kommen Sie in einer halben Stunde wieder.‹
›In einer halben Stunde?‹
›Ja. Haben Sie gefrühstückt?‹
›Meiner Seele, nein.‹
›Gut, hier ist eine Pastete, die Sie mit einer Flasche alten Burgunder erwarten wird.‹ – – Und Sie sehen wohl ein, gnädigster Herr, da ich noch nüchtern bin, möchte ich mit Ew. Hoheit Erlaubnis – –« Und la Ramée machte eine Verbeugung.
»So geh' denn, Schelm«, sprach der Herzog; »doch wohlgemerkt, ich gebe dir nur eine halbe Stunde Zeit.«
»Gnädigster Herr, darf ich dem Nachfolger des Vaters Marteau Ihre Kundschaft zusagen?«
»Ja, wenn er anders keine Champignons in seine Pasteten backt. Du weist wohl,« fügte der Prinz bei, »daß die Champignons aus dem Walde von Vincennes meiner Familie tödlich sind.«
Was die Pasteten vom Nachfolger des Vaters Marteau enthalten haben
Eine halbe Stunde darauf kam la Ramée froh und wohlgemut zurück,
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