Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Augenblick lang tiefsinnig und stieg die Treppe hinab. Mich dünkt, ich sah ihn einen Grauschimmel besteigen und aus dem Hofraum des Palastes reiten. Doch begeben sich Ew. Eminenz nicht zu der Königin?« »Weshalb?« «Herr von Guitaut, mein Oheim, hat mir eben erzählt, Ihre Majestät habe Nachrichten von dem Heere erhalten.« »Gut, ich will schnell dahingehen.« In diesem Momente erschien Herr von Villequier und holte wirklich den Kardinal im Auftrage der Königin.
Comminges hatte richtig gesehen; Mordaunt tat, wie er berichtet hatte. Als er die mit der großen Glasgalerie parallellaufende Galerie durchschritt, erblickte er de Winter, welcher dort wartete, bis die Königin ihre Unterredung beendigt habe. Bei diesem Anblick war nun der junge Mann, nicht in Verwunderung vor dem Bilde Rafaels, sondern wie verzaubert durch den Anblick eines schrecklichen Gegenstandes plötzlich stehen geblieben; seine Pupillen erweiterten sich; ein Schauder durchwallte seinen ganzen Körper, und man hätte glauben mögen, er wolle durch die gläserne Türe brechen, die ihn von seinem Feinde trennte; denn hätte es Comminges gesehen, mit welchem Haß der junge Mann die Augen auf de Winter heftete, so würde er keinen Augenblick daran gezweifelt haben, daß dieser britische Edelmann sein Todfeind sei. Doch hielt er an. Er tat das ohne Zweifel, um zu überlegen; denn statt daß er sich von seinem ersten Gedanken hinreißen ließ, der da war, geradezu auf Lord de Winter hinzustürzen, stieg er langsam über die Treppe, verließ gesenkten Hauptes den Palast, schwang sich auf sein Pferd, ritt an die Ecke der Straße Richelieu und wartete, die Augen auf das Gitter geheftet, bis die Kutsche der Königin aus dem Palaste komme. Er hatte nicht lange zu warten, da sich die Königin nicht über eine Viertelstunde bei Mazarin aufgehalten hatte; doch kam diese Viertelstunde dem Wartenden wie ein Jahrhundert vor; endlich rollte die Karosse rasselnd durch das Gitter, und Herr de Winter, der noch immer zu Pferde war, neigte sich abermals an den Kutschenschlag, um sich mit Ihrer Majestät zu unterreden.
Die Pferde setzten sich in Trab auf dem Wege nach dem Louvre, wo sie hineinsprengten. Ehe noch die Königin das Kloster der Karmeliterinnen verlassen, sprach sie zu ihrer Tochter, sie möge in dem Palaste warten, worin sie so lange gewohnt, und den sie nur deshalb verlassen hatten, weil ihr das Elend in diesen vergoldeten Zimmern noch viel drückender schien. Mordaunt folgte dem Wagen nach, und als er ihn unter die dunkle Halle fahren sah, drängte er sich mit seinem Pferd an eine Mauer, über die sich Dunkelheit breitete, und blieb mitten unter den Verzierungen von Jean Goujon wie ein Balsrelief, das eine Reiterbüste vorstellt, stehen. Er wartete, wie er es vorher bei dem Palais-Royal getan hatte.
Wie die Unglücklichen manchmal den Zufall für die Vorsehung halten
»Nun, Madame?« sprach de Winter, als die Königin ihre Diener weggeschickt hatte. »Was ich voraussah, das geschieht, Mylord.« »Er weigert sich?« »Sagte ich es denn nicht voraus?« »Der Kardinal weigert sich, den König zu empfangen, Frankreich verweigert einem unglücklichen Fürsten die Gastfreundschaft, Madame? Das geschieht hier zum erstenmal.« »Mylord, ich sagte ja nicht: Frankreich, sondern ich sagte: der Kardinal, und der Kardinal ist nicht einmal Franzose.« »Allein die Königin – sahen Sie die Königin?«»Das ist unnötig,« versetzte die Königin Henriette, traurig den Kopf schüttelnd; »wenn der Kardinal einmal Nein gesagt hat, wird die Königin niemals Ja sagen. Wisset Ihr denn nicht, daß dieser Italiener alles leitet, im Innern wie im Äußern? Überdies, ich komme hier auf das zurück, was ich Euch schon sagte, es sollte mich nicht wundernehmen, wenn uns Cromwell zuvorgekommen wäre; er war betroffen, als er mich sah, blieb aber doch fest in seinem Willen, sich zu weigern. Bemerktet Ihr dann nicht jene Aufregung im Palais-Royal, jenes Hin- und Herlaufen geschäftiger Leute? Mylord, haben Sie etwa Nachrichten erhalten?« »Nicht von England, Madame, ich beeilte mich so sehr, daß ich versichert bin, es sei mir niemand zuvorgekommen; ich brach vor drei Tagen auf, und schlüpfte wie durch ein Wunder mitten durch das puritanische Heer; dann nahm ich mit meinem Bedienten Tony die Post, und die Pferde, welche wir reiten, haben wir erst in Paris gekauft. Überdies bin ich überzeugt, ehe der König etwas wagt, wird er die Antwort Ihrer Majestät abwarten.«
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