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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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braunen Rücken. Wie ein junger Gott. Er sah wirklich aus wie ein junger Gott. Sie wünschte sich sehr, dass er blieb, vielleicht fast ebenso sehr, wie er abhauen wollte. Sie musste etwas sagen.
    »Du willst dich doch wohl nicht klammheimlich aus dem Staub machen, oder?«
    Ertappt fuhr er herum. »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Warum nicht?«
    »Du hast im Schlaf so hübsch ausgesehen.«
    Beide wussten, dass es eine schwache Ausrede war. »Aha. Okay, verstehe.« Sie hörte den bedürftigen und gereizten Ton in ihrer Stimme. Lass ihn ja nicht merken, dass es dir was ausmacht, Em. Sei cool. Tu … gleichgültig.
    »Ich wollte dir eine Nachricht schreiben, aber …« Er tat, als hielte er nach einem Stift Ausschau und ignorierte, dass ein Marmeladenglas voll auf dem Schreibtisch stand.
    Sie hob den Kopf und stützte das Kinn auf die Hand.
    »Mir egal. Du kannst abhauen, wann du willst. Schiffe, die sich in der Nacht begegnen, oder wie es so schön in dem Gedicht heißt. Sehr, wie war das Wort noch gleich … bittersüß.«
    Er setzte sich auf den Stuhl und knöpfte sich das Hemd zu. »Emma?«
    »Ja, Dexter?«
    »Ich habe es wirklich genossen mit dir.«
    »Das merkt man an der Art, wie du nach deinen Schuhen schielst.«
    »Nein, im Ernst.« Dexter beugte sich vor. »Es war sehr schön, dass wir endlich mal geredet haben. Und das andere auch. Nach all der Zeit.« Er runzelte die Stirn auf der Suche nach den richtigen Worten. »Du bist wirklich, wirklich wunderbar, Em.«
    »Ja, ja, ja …«
    »Nein, wirklich.«
    »Du bist auch wunderbar, und jetzt verzieh dich.« Sie schenkte ihm ein knappes Lächeln. Daraufhin marschierte er plötzlich auf sie zu, und sie hielt ihm erwartungsvoll das Gesicht entgegen, bis ihr klar wurde, dass er nach einer Socke unter dem Bett griff. Er bemerkte ihr angehobenes Gesicht.
    »Socke unterm Bett«, murmelte er.
    »Klar.«
    Vorsichtig hockte er sich aufs Bett und sagte mit gewollt munterer Stimme, beim Sockenanziehen: »Großer Tag heute! Ich fahre nach Hause!«
    »Wohin, nach London?«
    »Oxfordshire. Da wohnen meine Eltern. Meistens jedenfalls.«
    »Oxfordshire. Sehr hübsch«, sagte sie und war insgeheim gekränkt, wie schnell die Intimität verpufft und zu Smalltalk verkommen war. Letzte Nacht hatten sie all diese Dinge gesagt und getan, und jetzt unterhielten sie sich wie Fremde in einer Buswarteschlange. Sie hatte den Fehler gemacht, einzuschlafen und den Bann zu brechen. Wären sie wach geblieben, würden sie sich vielleicht jetzt noch küssen, stattdessen war alles vorbei, und sie sagte: »Und wie lange dauert die Fahrt? Nach Oxfordshire?«
    »So sieben, acht Stunden. Mein Dad fährt ausgezeichnet.«
    »Aha.«
    »Und du fährst nicht zurück nach …«
    »Leeds. Nein, ich bleibe den Sommer über hier. Hab ich dir doch erzählt, schon vergessen?«
    »Entschuldige, ich war letzte Nacht ziemlich hacke.«
    »Und damit ist der Fall für die Verteidigung abgeschlossen, hohes Gericht …«
    »Es ist keine Ausrede, es ist …« Er drehte sich zu ihr um und sah sie an. »Bist du sauer auf mich, Em?«
    »Em? Wer ist Em?«
    »Em ma dann eben.«
    »Ich bin nicht sauer, ich … wünschte nur, du hättest mich geweckt, anstatt dich klammheimlich verdrücken zu wollen …«
    »Ich wollte dir doch eine Nachricht hinterlassen!«
    »Und was sollte in der tollen Nachricht drinstehen?«
    »Ich hätte geschrieben: ›Hab deine Brieftasche geklaut.‹«
    Sie lachte, ein leises, kehliges Morgenlachen, und ihre Lachfältchen und die Art, wie sie die Lippen fest aufeinanderpresste, als hielte sie etwas zurück, waren so attraktiv, dass er fast bereute, sie angelogen zu haben. Er hatte nicht vor, schon mittags nach Hause zu fahren. Seine Eltern würden über Nacht bleiben, abends mit ihm essen gehen und erst am nächsten Morgen aufbrechen. Die Lüge diente bloß einer schnellen, sauberen Flucht. Aber als Dexter sich jetzt vorbeugte, um sie zu küssen, fragte er sich, ob die Täuschung irgendwie rückgängig gemacht werden konnte. Ihr Mund war weich, sie sank auf das Bett, das nach Wein, ihrem warmen Körper und Weichspüler roch, und er beschloss, dass er unbedingt in Zukunft ehrlicher sein sollte.
    Sie rollte sich zur Seite. »Ich geh nur schnell aufs Klo«, sagte sie und hob seinen Arm an, um sich unter ihm durchzuzwängen. Sie stand auf, hakte zwei Finger in den Bund ihres Schlüpfers und zog ihn herunter.
    »Habt ihr ein Telefon, das ich benutzen kann?«, fragte er und sah ihr nach, als sie durchs Zimmer

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