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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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aber anscheinend entzieht es sich seiner Kontrolle, wie kreisrunder Haarausfall. Warum nicht einfach aufgeben und völlig verblöden? Gleichgültig werden. Die Zeit vergeht, und er bemerkt, dass auf dem Tennisplatz Gras und Unkraut sprießen. Schon jetzt fängt alles an auseinanderzufallen.
    Schließlich bricht sie das Schweigen.
    »Ich sags dir gleich, dein Vater macht das Mittagessen. Doseneintopf. Sei gewarnt. Wenigstens ist Cassie zum Abendessen wieder da. Du bleibst doch über Nacht, oder?«
    Er könnte es natürlich tun. Das verschafft ihm eine Gelegenheit zur Wiedergutmachung. »Ehrlich gesagt, nein«, antwortet er.
    Alison dreht halb den Kopf.
    »Ich habe Karten für heute Abend, für Jurassic Park . Die Premiere, um genau zu sein. Lady Di geht auch hin! Natürlich nicht mit mir«, sagt er, und seine Stimme klingt wie die eines Menschen, den er hasst. »Ich muss da hin, es gehört zum Job, der Termin steht schon seit Ewigkeiten fest.« Die Augen seiner Mutter werden fast unmerklich schmaler, und um sie zu besänftigen, denkt er sich schnell eine Lüge aus. »Ich nehme Emma mit, verstehst du. Ich würde es ja ausfallen lassen, aber sie will unbedingt hin.«
    »Oh. Aha.« Und sie schweigen.
    »Was für ein Leben du führst«, sagt sie ruhig.
    Wieder Stille.
    »Dexter, entschuldige, aber ich fürchte, der Vormittag hat mich etwas mitgenommen. Ich muss mich oben ein bisschen hinlegen.«
    »Okay.«
    »Ich werde etwas Hilfe brauchen.«
    Nervös hält er nach seiner Schwester oder seinem Vater Ausschau, als hätten sie irgendwelche Fähigkeiten, die ihm abgehen, aber keiner von beiden ist in Sicht. Seine Mutter hat die Arme auf die Lehnen gelegt, müht sich vergeblich ab, und ihm wird klar, dass er ihr helfen muss. Locker und wenig überzeugend fasst er sie am Arm und hilft ihr aufzustehen. »Soll ich dir …«
    »Nein, ins Haus komme ich allein, nur bei der Treppe brauche ich Hilfe.«
    Sie gehen über die Veranda, er berührt nur leicht den Stoff des blauen Sommerkleides, das lose an ihr herunterhängt wie ein Krankenhausnachthemd. Ihre Langsamkeit ist zum Verrücktwerden, ein Affront für ihn. »Wie gehts Cassie?«, fragt er, um die Zeit totzuschlagen.
    »Oh, gut. Sie scheint es ein bisschen zu sehr zu genießen, mich rumzukommandieren, aber sie ist sehr aufmerksam. Iss dies, schluck das, schlaf jetzt. Hart, aber fair, deine Schwester. Das ist ihre Rache dafür, dass wir ihr damals kein Pony gekauft haben.«
    Wenn Cassie wirklich so toll ist, fragt er sich, wieso ist sie dann nicht da, wenn man sie braucht? Im Haus angekommen, bleiben sie am Fuß der Treppe stehen. Ihm ist nie aufgefallen, wie viele Stufen es sind.
    »Wie soll ich …?«
    »Am besten trägst du mich. Ich wiege nicht viel, nicht mehr.«
    Ich schaffe das nicht. Ich kann es nicht. Ich dachte, ich könnte es, aber das stimmt nicht. Irgendwas fehlt mir, ich schaffs einfach nicht.
    »Hast du Schmerzen? Ich meine, sollte ich dich irgendwo nicht …?«
    »Keine Sorge.« Sie nimmt den Hut ab und rückt das Kopftuch zurecht. Er fasst sie fester unter dem Schulterblatt, die Finger um die Rippen gelegt, geht in die Knie, fühlt durch das Kleid die glatte, kühle Rückseite ihrer Beine auf dem Unterarm, und als er glaubt, dass sie bereit ist, hebt er sie hoch und spürt, wie sich ihr Körper in seinen Armen entspannt. Sie atmet tief aus, ein heißer, süßer Hauch auf seinem Gesicht. Entweder ist sie schwerer oder er schwächer als gedacht, denn er rammt ihre Schulter gegen den Pfosten, bevor er sich seitlich dreht und die Treppe hinaufgeht. Ihr Kopf ruht an seiner Schulter, er spürt das glatte Kopftuch an seinem Gesicht. Er fühlt sich wie in der Parodie einer typischen Filmszene, der Bräutigam trägt die Braut über die Schwelle, und ein paar fröhliche Bemerkungen fallen ihm ein, die die Sache aber auch nicht erleichtern würden. Am Treppenabsatz angekommen, tut sie ihm selbst den Gefallen. »Mein Held«, sagt sie, sieht zu ihm auf, und beide lächeln.
    Mit dem Fuß stößt er die Tür zu dem dunklen Raum auf und legt sie aufs Bett.
    »Soll ich dir irgendwas holen?«
    »Nein, danke.«
    »Brauchst du irgendwas? Medizin oder …«
    »Nein, alles in Ordnung.«
    »Einen trockenen Martini mit Schuss?«
    »Oh ja, gerne.«
    »Soll ich dich zudecken?«
    »Bitte nur mit der Decke.«
    »Vorhänge zu?«
    »Bitte. Aber lass das Fenster offen.«
    »Dann bis nachher.«
    »Bis dann, Schatz.«
    »Bis dann.«
    Dexter schenkt ihr ein angespanntes Lächeln, aber sie hat ihm

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