Zwei an Einem Tag
zu haben wie ein Wachtposten im Dienst oder ein Polizist vor der Verhaftung.
»Hab verschlafen«, sagt Dexter zum Rücken seines Vaters.
Der blättert um. »Ja, ich weiß.«
»Warum hast du mich nicht geweckt, Dad?«
»Schien mir zwecklos. Außerdem ist das nicht meine Aufgabe, denke ich.« Er blättert noch eine Seite um. »Du bist nicht mehr vierzehn, Dexter.«
»Aber jetzt muss ich schon fahren!«
»Tja, wenn du fahren musst …« Der Satz bleibt unvollendet. Dexter sieht Cassie im Wohnzimmer, die auch tut, als würde sie lesen, und ihr Gesicht ist rot vor Missbilligung und Selbstgerechtigkeit. Los, raus hier, sofort, gleich geht die Bombe hoch. Aber als er den Schlüssel vom Dielentisch nehmen will, greift er ins Leere.
»Die Autoschlüssel.«
»Ich habe sie versteckt«, sagt sein Vater zeitunglesend.
Dexter muss lachen. »Du kannst doch nicht meine Schlüssel verstecken! «
»Anscheinend doch. Willst du jetzt ein Suchspielchen veranstalten?«
»Darf ich fragen, wieso?«, fragt Dexter empört.
Sein Vater hebt den Kopf, als würde er etwas riechen. »Weil du betrunken bist.«
Im Wohnzimmer steht Cassie auf und macht die Tür zu.
Dexter lacht, nicht sehr überzeugend. »Ach was!«
Sein Vater wirft einen Blick über die Schulter. »Dexter, ich weiß, wie ein Betrunkener aussieht. Besonders du. Ich erlebe dich jetzt seit zwölf Jahren betrunken, schon vergessen?«
»Aber ich bin nicht betrunken, nur verkatert.«
»Wie auch immer, so fährst du nicht nach Hause.«
Wieder lacht Dexter höhnisch, verdreht protestierend die Augen, kann aber nur mit schwacher, hoher Stimme sagen: »Dad, ich bin schon 28!«
»Schwer zu glauben«, kontert sein Vater prompt, fischt die eigenen Autoschlüssel aus der Hosentasche, wirft sie mit vorgetäuschter Fröhlichkeit in die Luft und fängt sie auf. »Komm. Ich bring dich zum Bahnhof.«
Dexter verabschiedet sich nicht von seiner Schwester.
Manchmal fürchte ich, du bist kein sehr netter Mensch mehr . Sein Vater fährt schweigend, Dexter sitzt tief beschämt neben ihm in dem großen, alten Jaguar. Als das Schweigen unerträglich wird, sagt sein Vater ruhig und sachlich, den Blick auf die Straße gerichtet: »Du kannst das Auto am Samstag abholen. Wenn du wieder nüchtern bist.«
»Ich bin nüchtern«, sagt Dexter und merkt, dass seine Stimme weinerlich und trotzig klingt, als wäre er erst sechzehn. »Himmelherrgott noch mal!«, fügt er überflüssigerweise hinzu.
»Ich werde nicht mit dir diskutieren, Dexter!«
Eingeschnappt rutscht Dexter tiefer in den Sitz und presst Stirn und Nase an die Scheibe, an der Feldwege und schicke Häuser vorbeiziehen. Sein Vater, der jegliche Art von Konfrontation verabscheut und sichtlich Höllenqualen leidet, macht das Radio an, um das Schweigen zu überspielen, und sie hören klassische Musik: ein banaler, bombastischer Marsch. Sie nähern sich dem Bahnhof, fahren auf den Parkplatz, der jetzt, ohne die Autos der Pendler, fast leer ist. Dexter öffnet die Tür, setzt einen Fuß auf den Kies, aber sein Vater macht keine Anstalten, sich zu verabschieden, sitzt weiter abwartend mit laufendem Motor im Wagen, den Blick starr und neutral wie ein Chauffeur auf das Armaturenbrett gerichtet, und klopft mit den Fingern den Takt zu der hirnrissigen Marschmusik.
Dexter weiß, er sollte seine Strafe einfach hinnehmen und gehen, aber sein Stolz lässt es nicht zu. »Okay, dann gehe ich jetzt, aber eins möchte ich noch sagen, meiner Meinung nach hast du in dieser Sache total über …«
Plötzlich ist das Gesicht seines Vaters vor Wut verzerrt, er bleckt die zusammengebissenen Zähne und seine Stimme überschlägt sich: »Wag es ja nicht, meine oder die Intelligenz deiner Mutter zu beleidigen, du bist jetzt erwachsen und kein Kind mehr.« Der Zorn verraucht so schnell, wie er gekommen ist, und stattdessen sieht sein Vater jetzt aus, als wolle er in Tränen ausbrechen. Seine Unterlippe zittert, mit einer Hand umklammert er das Lenkrad, und mit den langen Fingern der anderen bedeckt er sich die Augen. Hastig steigt Dexter aus dem Wagen und will sich gerade aufrichten und die Tür zumachen, als sein Vater das Radio ausmacht, um noch etwas zu sagen. »Dexter …«
Dexter beugt sich vor und schaut seinen Vater an. Er hat feuchte Augen, sagt aber mit fester Stimme:
»Dexter, deine Mutter hat dich sehr, sehr lieb. Und ich auch. Das war immer so und wird auch immer so bleiben. Ich glaube, das weißt du auch. Aber in der Zeit, die deiner Mutter noch
Weitere Kostenlose Bücher