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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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du kleine Rumtreiberin? Na ja. Kannst mich jederzeit anrufen, ich bleib hier, rühr mich nicht von der Stelle. Tschüss. Bis dann.
    Ians Einzimmerwohnung lag im Erdgeschoss in der Cally Road und wurde nur vom Neonlicht der Straßenlaternen und hin und wieder von den Scheinwerferkegeln eines Doppeldecker-Busses erhellt. Mehrmals pro Minute erbebte der ganze Raum, wenn eine U-Bahn der Piccadilly, Victoria oder Northern Line oder ein Bus Nummer 30, 10, 46, 214 oder 390 vorbeifuhr. Was Verkehrsanbindung betraf, gab es keine bessere Wohnung. Emma, die mit halb heruntergezogener Strumpfhose auf dem ausgeklappten Schlafsofa lag, spürte die Vibrationen im Rücken.
    »Und welche war das?«
    Ian lauschte dem Rattern. »Piccadilly Richtung Osten.«
    »Wie hältst du das nur aus, Ian?«
    »Man gewöhnt sich dran. Außerdem benutze ich die hier …«, und er deutete auf zwei dicke graue Klümpchen auf der Fensterbank. »Wachs-Ohrstöpsel.«
    »Nein, wie nett.«
    »Neulich hab ich vergessen, sie rauszunehmen. Ich dachte schon, ich hätte ’nen Hirntumor. Hatte was von Gottes vergessene Kinder , wenn du verstehst.«
    Emma lachte und stöhnte auf, als ihr wieder schlecht wurde. Er nahm ihre Hand.
    »Fühlst du dich jetzt besser?«
    »Wenn ich die Augen nicht zumache, gehts.« Sie drehte sich zu ihm, schlug die Decke zurück, damit sie sein Gesicht sehen konnte, und bemerkte mit leichtem Unwohlsein, dass sie keinen Bezug und die Farbe von Pilzsuppe hatte. Das Zimmer roch nach Wohltätigkeitsbasar, der typische Geruch alleinlebender Männer. »Ich glaube, der zweite Brandy war zu viel.« Er lächelte, aber im weißen Licht eines vorbeifahrenden Busses bemerkte sie, dass er beunruhigt aussah. »Bist du sauer auf mich?«
    »Türlich nicht. Es ist nur, na ja, man küsst ein Mädchen, und ihr wird schlecht …«
    »Ich hab dir gesagt, es liegt am Alk. Ich hab jede Menge Spaß. Muss nur mal ’ne Verschnaufpause einlegen. Komm her …« Sie setzte sich auf, um ihn zu küssen, aber ihr bester BH war hochgerutscht, und die Drahtbügel stachen sie in die Achseln. »Au, au, au!« Sie zog sich den BH herunter und ließ den Kopf zwischen die Knie sinken. Wie ein Krankenpfleger strich er ihr über den Rücken, und ihr war peinlich, dass sie alles verdorben hatte. »Ich glaube, ich geh lieber nach Hause.«
    »Oh. Okay. Wenn du willst.«
    Sie lauschten dem Geräusch von Autoreifen auf nassem Asphalt, und ein weißer Lichtstrahl huschte durchs Zimmer.
    »Und das?«
    »Nummer 30.«
    Sie zog die Strumpfhose hoch, stand schwankend auf und zog den Rock herunter. »Ich hatte wirklich jede Menge Spaß!«
    »Ich auch …«
    »Hab bloß zu viel getrunken …«
    »Ich auch …«
    »Ich geh nach Hause, meinen Rausch ausschlafen …«
    »Verstehe. Trotzdem. Schade.«
    Sie sah auf die Uhr. 23:52 Uhr. Unter ihren Füßen fuhr ratternd eine Bahn durch und erinnerte sie daran, dass sie genau auf einem bemerkenswerten Verkehrknotenpunkt stand. Fünf Minuten zu Fuß bis zum King’s Cross, die Piccadilly-Linie nach Westen, und sie konnte locker um halb eins zu Hause sein. Es regnete an die Fensterscheibe, allerdings nur leicht.
    Emma stellte sich den Fußmarsch nach Hause vor, die Stille in der leeren Wohnung, während sie mit dem Schlüsseln hantierte und ihr die feuchte Kleidung am Rücken klebte. Sie malte sich aus, wie sie allein und voller Bedauern im Bett lag, ihr schlecht und schwindelig wurde, während »Tahiti« unter ihr bockte. Wäre es wirklich so schlimm, hier zu bleiben und zur Abwechslung etwas Wärme, Zuneigung und Nähe zu bekommen? Oder wollte sie eins der Mädchen sein, die sie manchmal in der U-Bahn sah: verkatert, blass und gereizt im Partykleid der letzten Nacht? Es regnete jetzt stärker an die Scheibe.
    »Soll ich dich zur U-Bahn bringen?«, sagte Ian und steckte sich das Hemd in die Hose. »Oder vielleicht …«
    »Was?«
    »Wieso schläfst du deinen Rausch nicht hier aus? Nur zum, na ja, Kuscheln.«
    »›Kuscheln‹.«
    »Kuscheln, uns umarmen. Oder nicht mal das. Wenn du willst, können wir auch die ganze Nacht steif wie ein Brett nebeneinander liegen.«
    Sie lächelte, und er lächelte hoffnungsvoll zurück.
    »Kontaktlinsenreiniger«, sagte sie. »Ich hab keinen hier.«
    »Ich schon.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du Kontaktlinsen trägst.«
    »Da siehst dus – noch etwas, das wir gemeinsam haben.«
    Sie lächelten sich an. »Mit etwas Glück finde ich noch ein Paar unbenutzte Ohrstöpsel für dich.«
    »Ian Whitehead. Du alter

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