Zwei auf Achse
unzufrieden zu sein. Ich heiße nämlich Kaspar und mit Nachnamen Tepel. Kannst du dir vorstellen, was ich wegen dieses Namens als Kind leiden mußte? Für meine Mitschüler und auch die andern Kinder im Dorf war ich nur der Kaspertölpel oder der Tölpelkasper. Wie oft habe ich mich geprügelt, weil ich den Spott nicht mehr ertragen konnte! Es hat alles nichts geholfen. Erst als ich schon größer war, meinen Ärger nicht mehr zeigte und so tat, als mache mir der Spott nichts aus, wurde es nach und nach besser.“
Herr Tepel klopfte Lutz freundschaftlich auf die Schulter. „Komm, Lutz, wenn wir Kaffee oder Tee trinken wollen, müssen wir erst Wasser holen! Und du kannst natürlich auch mitkommen!“ sagte er, indem er Joachim anblickte. „Du heißt doch Joachim, nicht wahr? Ich meine, Lutz hätte dich heute schon ein paarmal so genannt?“
„Ja, so heiße ich“, antwortete Joachim. „Das ist zwar auch kein toller Name, aber er stört mich nicht weiter, und irgendwie muß der Mensch ja heißen.“
„Natürlich“, sagte Herr Tepel. „Kannst du den roten Eimer nehmen? Ich nehme den gelben.“ Er ging den Kindern voran aus der kleinen Wohnküche hinaus, humpelte einen schmalen Korridor entlang, öffnete eine Tür und betrat einen kleinen Anbau, in dessen Mitte sich ein Brunnen befand.
„Das finde ich ja nun praktisch!“ rief Lutz. „Hier kann man auch im dicksten Regen Wasser holen, ohne naß zu werden.“
„Und im Winter“, sagte Herr Tepel, „wenn man wegen der Kälte nicht vor die Tür gehen mag! Stell mal deinen Eimer unter den Auslauf. Wenn ich das Wasser hochgezogen und ausgeschüttet habe, fließt es da heraus.“ Er drehte an einer großen Kurbel, so daß ein mit Eisen beschlagener schwerer Holzeimer an seiner Kette rasselnd in die Tiefe schwebte und untertauchte. Das Heraufholen des gefüllten Eimers ging bedeutend langsamer. Als die Jungen gesehen hatten, wie es gemacht wurde, zogen sie den zweiten Eimer hoch. „Ist das Wasser denn auch sauber?“ fragte Joachim. „Meistens schwabbeln in den alten Brunnen doch ‘ne Menge Viecher ‘rum, Kolibakterien, Frösche und sowas.“
„Ich habe den Brunnen vor sechsundzwanzig Jahren gegraben“, antwortete Herr Tepel, „und seitdem trinken wir das Wasser. Und da wir immer noch einigermaßen gesund sind, meine Frau und ich, kann es wohl nicht schlecht sein.“
Er nahm den Eimer von der Kette und schüttete das Wasser in den Ausguß.
„Außerdem war vor Jahren mal jemand vom Gesundheitsamt hier“, fuhr er fort, „der hat eine Probe entnommen, im Labor untersucht und mir später mitgeteilt, daß der Brunnen bakterienfrei sei. Also keine Angst, ihr werdet euch nicht vergiften, wenn ihr davon trinkt. So, nun tragt mal gemeinsam den roten Eimer und laßt mir den gelben. Aber verschüttet nicht soviel!“
Als die Eimer wieder auf ihrem Platz in der Wohnküche standen, füllte Herr Tepel einen Kessel und setzte ihn auf den Herd. Nachdem er noch einen dicken Holzkloben in die Glut geschoben hatte, sagte er: „Ich muß jetzt die Hühner füttern. Wenn ihr mögt, könnt ihr mitkommen. Es ist schon vier Uhr vorbei, da wird es Zeit. Hühner gehen ja sehr früh schlafen, und wenn sie erst im Stall auf ihrer Stange sitzen, rühren sie kein Futter mehr an, selbst wenn man es ihnen vor den Schnabel hält.“
Sie verließen die Küche, gingen den schmalen Korridor entlang nach hinten, durchquerten das Brunnenhaus und kamen so in den Hühnerstall. Das war ein weißgekalkter Raum mit einem kleinen Fenster an der einen und je einer Tür an den andern drei Seiten. Quer von Wand zu Wand verlaufend waren in Kniehöhe zwei eckige Holzstangen angebracht, auf denen die Hühner während der Nacht saßen. In einer Ecke stand ein länglicher Kasten, der nach oben offen und mit Stroh ausgepolstert war. Unter dem Fenster befanden sich zwei Fässer mit einem Deckel drauf. Der Boden des Stalles war mit weißem Sand bestreut. „Mensch, haben die’s hier gemütlich!“ rief Joachim, als er hinter Herrn Tepel den Stall betreten und sich darin umgeschaut hatte. „Bei Ihnen hätte man direkt Lust, Huhn zu sein! Aber wo sind die Hühner überhaupt?“
Herr Tepel öffnete eine der Brettertüren, langte dann mit der Hand in eins der Fässer, die mit Mais und anderm Körnerfutter gefüllt waren, und sagte: „Hier sind sie, in ihrem Auslauf! Sie kommen nur abends oder zum Eierlegen herein. Kommt, meine Lieben, kommt! Putt putt putt putt!“ Mit diesen Worten streute er ihnen
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