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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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bekam. Während der Präparationsarbeiten schaute ich nicht in der Werkstatt vorbei, denn ich wollte vermeiden, auf so engem Raum mit Colonel Birch zusammenzutreffen. Überhaupt ging ich ihm so gut wie möglich aus dem Weg. Allerdings nicht gut genug.
    Eines Nachmittags überredete mich Margaret, mit zum Kartenspielen in den Ballsaal zu kommen. Ich machte das nur selten, denn es wimmelte dort nur so von miteinander flirtenden jungen Damen und Herren und den Müttern, die auf sie aufpassten. Meine handverlesenen Freunde in Lyme wie etwa der junge Henry De La Beche oder Doktor Carpenter mit seiner Frau gingen anderen, eher geistigen Interessen nach, und wir besuchten uns normalerweise in unseren Privathäusern, statt uns im Ballsaal zu treffen. Doch Margaret wollte an diesem Tag eine Begleitung und blieb hartnäckig.
    Margaret und ich waren gerade mitten in einem Spiel, als Colonel Birch den Raum betrat. Natürlich bemerkte ich ihn sofort – und er mich. Noch bevor ich wegschauen konnte, begegnete er meinem Blick und kam auf mich zu. Die Karten fesselten mich an meinen Platz. Auf seinen Gruß reagierte ich so gleichgültig wie möglich, was ihn aber nicht daran hinderte, sich hinter mich zu stellen und mit den anderen Zuschauern zu plaudern. Die anderen Kartenspieler schauten mich amüsiert und überrascht an. Ich begann schlechter zu spielen. Sobald ich konnte, schob ich Kopfschmerzen vor und verließ den Tisch. Ich hatte gehofft, dass Colonel Birch meinen Platz einnehmen würde, doch er folgte mir zum Erkerfenster, wo wir gemeinsam aufs Meer hinausblickten. Ein Schiff segelte vorbei und steuerte einen Ankerplatz hinterm Cobb an.
    «Das ist die Unity », sagte Colonel Birch. «Auf ihr lasse ich den Ichthyosaurier nach London schiffen. Morgen fährt sie wieder.»
    Obwohl ich eigentlich nicht mit ihm reden wollte, musste ich etwas sagen. «Dann ist Mary mit ihrer Arbeit an dem Fund fertig?»
    «Er steckt jetzt in einem Rahmen, und gerade heute Nachmittag hat sie ihn mit Gips ausgegossen. Sobald er getrocknet ist, wird sie das Fossil verpacken.»
    «Aber Sie selbst fahren nicht auf der Unity mit, oder?» Ich war nicht sicher, was ich lieber wollte, dass er ging oder blieb, aber ich musste es wissen.
    «Ich werde die Kutsche nehmen und noch in Bath und Oxford Halt machen, um Freunde zu besuchen.»
    «Jetzt, wo Sie gefunden haben, was Sie wollten, gibt es für Sie vermutlich keinen Grund mehr, länger zu bleiben.» So sehr ich mich auch bemühte, meine Stimme zu kontrollieren, sie begann zu beben. Ich fügte nicht hinzu, dass ich die Eile, mit der er seine Beute sicherte und abreiste, geschmacklos fand, sondern blickte weiter auf die Wellen hinaus, die jetzt bei Hochwasser bis unters Fenster schwappten und schlugen. Ich spürte, dass Colonel Birch meinen Blick suchte, schaute mich aber nicht zu ihm um. Meine Wangen brannten rot.
    «Ich habe unsere Gespräche sehr genossen, Miss Philpot», sagte er. «Sie werden mir fehlen.»
    Da drehte ich mich um und blickte ihn fest an.
    «Ihre Augen sind heute sehr dunkel», fügte er hinzu. «Dunkel und ehrlich.»
    «Ich gehe jetzt nach Hause», erwiderte ich, als hätte er mich danach gefragt. «Nein, bitte begleiten Sie mich nicht, Colonel Birch. Das möchte ich nicht.» Ich wandte mich ab. Der ganze Saal schien uns zu beobachten. Ich ging an den Tisch, um meine Schwester zu holen, und stellte voller Erleichterung fest, dass er mir nicht folgte.
    Ich glaube, die Monate nach der Abreise von Colonel Birch waren die schwersten im Leben der Annings – noch schwerer als die Zeit nach dem Tod von Richard Anning, denn damals hatten sie immerhin das Mitgefühl der Stadt. Jetzt waren die Leute einfach der Meinung, sie hätten sich ihr Elend selbst eingebrockt.
    Wie sehr Colonel Birch Marys Ruf geschadet hatte, ging mir erst auf, als ich kurze Zeit später mit eigenen Ohren hörte, was die Leute redeten. Ich war zum Bäcker gegangen, was Bessy vergessen hatte, und nun wollte sie nicht noch einmal den Berg hinab. Als ich den Laden betrat, bekam ich mit, wie die Bäckersfrau, eine entfernte Cousine Marys und selbst eine Anning, zu einer Kundin sagte: «Jeden Tag hat sie sich mit dem Gentleman am Strand herumgetrieben. Soll der sich doch jetzt um sie kümmern!» Sie grinste anzüglich, hielt aber inne, als sie mich erblickte. Obwohl keine Namen gefallen waren, wusste ich, über wen geredet wurde. Dem trotzig vorgereckten Kinn der Bäckersfrau entnahm ich, dass sie möglichen Einwänden gegen

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