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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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mir mein Vater ins Ohr.
    »Ich kann nicht.«
    »Du musst!«
    »Aber …«
    »Eva!!!«
    Oma Tati hatte immer behauptet, Gott würde die Mutigen lieben. Das fiel mir in diesem Moment wieder ein. Also wollte ich es wenigstens versuchen, mutig zu sein. Zaghaft blickte ich auf. Vor mir stand ein Grüppchen von drei Frauen. Die Köpfe hatten sie zusammengesteckt, sie tuschelten und starrten mich an.
    Ich starrte zurück. Keine zehn Sekunden brauchte ich das durchzuhalten. Die drei Weibchen hörten auf zu tuscheln und mich anzustarren. Sie verstummten, schluckten und zerstreuten sich in verschiedene Richtungen.
    Das erstaunte mich, und ich machte weiter, starrte zurück, siegte, siegte immer wieder. Nur ein junges Mädchen ließ sich von der Intensität meiner Blicke nicht beeindrucken. Sie saß zwei Reihen vor mir in der Kirchenbank und starrte auch noch nach Minuten mit unverminderter Begeisterung. Als ich mich vorbeugte, um sie genauer zu betrachten, sah ich, dass sie nur noch ein Bein hatte.
    »Oh …!«, entfuhr es mir, und das Mädchen begann zu lächeln. Sie lächelte mich auf eine rührende Weise an, und ich, ich lächelte zurück. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich so gelächelt. Es kam von innen, es war mir ein Bedürfnis, es war jenes Lächeln, das Daniela immer bei mir vermisst hatte, das »aus dem Bauch« kam, wie sie es nannte. Jetzt hatte ich keine Angst mehr, nicht vor den anderen und auch nicht mehr vor mir selbst.
    Oben auf der Kanzel las Pfarrer Lossmann die Weihnachtsgeschichte. Ich kannte sie auswendig und hörte gar nicht hin. Vielmehr nutzte ich diese Zeit, um endlich wieder das zu tun, was ich so lange nicht mehr fertig gebracht hatte: Ich betete. Was es bedeutete zu beten, wurde mir dabei erstmals in meinem Leben wirklich klar. Es hieß, sich Gott zu nähern.
    Während ich betete, saßen meine Eltern neben mir und hielten meine Hände, mein Vater die linke, meine Mutter die rechte. »Stille Nacht, heilige Nacht« sang die Gemeinde, und ich saß da, blickte aus dem Fenster der Kapelle, hinaus in die Dunkelheit. Nichts schien anders als sonst, und doch war alles anders, denn ich sah es plötzlich mit anderen Augen.
    »Wir Menschen suchen alle nach etwas, was uns längst gefunden hat.«
    Auch ich hatte gesucht, und obwohl ich von Anfang an geahnt hatte, dass mich das, wonach ich suchte, längst gefunden hatte, wusste ich es in aller Klarheit erst jetzt. Das Geheimnis von Leben und Sterben tat sich vor mir auf, und es war tatsächlich, wofür ich es gehalten hatte: Der Anfang und das Ende all meines Seins, der Ursprung und zugleich das Ziel aller Dinge. Daniela hatte einmal gesagt, dass die Menschen nicht leben könnten, wenn Leben und Sterben in ihren Augen ein und dasselbe wären, dass sie nur aus Angst vor dem Sterben leben würden. Doch Leben und Sterben waren ein und dasselbe, das war das große Geheimnis. Jeder Atemzug unseres Lebens brachte uns unserem Ende unweigerlich einen Atemzug näher, und deshalb hatten wir alle, auch ich, nichts zu verlieren: nur Zeit!

KAPITEL 20
    Meine spontane Entscheidung für das Leben hatte den Zwiespalt in mir abrupt beendet. Auf einmal fühlte ich mich frei, und mir kam der leise Verdacht, dass
ich von Anfang an hatte leben wollen, ohne es zu wissen. Die anderen hatten es gewusst: Professor Mennert, Doktor Behringer, Daniela, meine Eltern, sie alle hatten es gewusst, und deshalb hatten sie mir in der Vergangenheit auch alle die gleichen Vorwürfe und Vorschläge gemacht. Ich durfte nicht verantwortungslos und undankbar sein, ich musste mich ändern, nur dadurch konnte sich meine Lage ändern.
    Jetzt, da ich diese Worte in Ruhe überdachte, erkannte ich, wie Recht sie hatten. Was war schon passiert? Ich, die ehemals schöne und begabte Ballerina war schwer erkrankt und nunmehr hässlich und außer Stande, jemals wieder zu tanzen. Aber ich lebte, und aus diesem Leben galt es nun, das beste zu machen.
    Wie lange ich diese Haltung durchstehen konnte, würde sich zeigen. Vorerst stand meine Lebensbejahung noch auf wackeligen Füßen. Unentwegt suchte ich nach Halt.
    Claudia war mir dabei nicht gerade eine Hilfe. Nachdem sie sich am Heiligabend – unter dem Vorwand, bereits zu schlafen – jeden Kommentar erspart hatte, erklärte sie mir am Weihnachtstag, für sie wäre das Gespräch zwischen mir und meinen Eltern »schwachsinniget Gelaber« gewesen, und obwohl sie intensiv gelauscht hätte, wäre nur »Bahnhof« bei ihr angekommen.
    »Wenichstens weiß ich aber jetz,

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