Zwei Frauen: Roman (German Edition)
spontan, dass Daniela gleich wieder lachen musste.
»Du bist wirklich unglaublich«, sagte sie dann. »Ich bin schon jeder Menge Ja-Sagern in meinem Leben begegnet, aber noch niemals jemandem, der zu allem Nein sagt. Du bist ein Weltmeister im Verneinen, Eva. Merkst du das eigentlich?«
Ich musste grinsen. Was sie da sagte, hatte ich längst bemerkt, ich war aber nicht bereit, dazu etwas zu sagen.
»Kann ich eine Zigarette haben?«, erkundigte ich mich stattdessen.
»Nein!«
»Bitte!!!«
»… Ach, so ist das …!«, durchschaute Daniela mein Spiel, »das Fräuleinchen will gebeten sein … na schön, Eva, daran soll es nicht liegen. Ich bitte dich hiermit! Ich bitte dich von Herzen und mit Schmerzen: Mach eine Psychotherapie!«
»Warum?«
»… Wa – rum …?« Mich traf ein bitterböser Blick, denn nach Danielas Dafürhalten war sie es, die in unserer Beziehung die Fragen stellte.
»Nimm dir eine Zigarette!«, seufzte sie. »Und dann werde ich dir deine impertinente Frage beantworten! Es ist nämlich so, meine Liebe: Du bildest dir nur ein, es hätte sich in dir eine großartige Wandlung vollzogen. In Wahrheit ist es nur ein Kreis, der sich da schließt. Als du herkamst, da wolltest du den Krebs besiegen, und das willst du jetzt auf ein Neues versuchen. Deshalb ziehst du dich wieder schön an, schrubbst dich, pinselst dich an, schmiedest Pläne und so weiter.«
Diese Worte kamen mir irgendwie bekannt vor. Claudia hatte es ähnlich ausgedrückt, und daher befiel mich ein doppelt ungutes Gefühl. Betont langsam nahm ich mir die versprochene Zigarette, zündete sie mir betont langsam an, um dann so sehr daran zu ziehen, dass sich tiefe Löcher in meine Wangen gruben.
»Na und?«, stieß ich dann nebst Rauch aus.
Daniela seufzte.
»Dass du das fragst«, erwiderte sie, »sagt mir, dass ich Recht habe.«
»Womit?«
»Womit?«, wiederholte sie. »Du bist wieder ganz die Alte, Eva, aber diese alte Eva, die hat es schon mal nicht geschafft. – Du musst dich erst noch ändern! Was du bisher getan hast, war noch gar nichts.«
»Und deshalb soll ich eine Therapie machen?«
»Ja.«
Ich zog das, was Claudia eine »Flappe« nannte, aber davon ließ Daniela sich nicht beeindrucken. Vielmehr hielt sie mir nun einen langen Vortrag über mein angeblich so verkorkstes Innenleben und über meine Angst vor Gefühlen, die ihres Erachtens aus meiner Kindheit und Jugend herrührten.
»Du hast als kleines Mädchen nur eines gelernt«, teilte sie mir mit, »nämlich zu verdrängen und zu kompensieren.«
»Das sind aber doch schon zweierlei!«, erwiderte ich.
» Eva!!! – Du weißt genau, wie ich das meinte.«
Alsdann wurde ich in formschöne Einzelteile zerlegt.
»Sobald es gilt, mit einem Gefühl fertig zu werden«, behauptete Daniela, »flüchtest du in einen Kampf gegen dieses Gefühl, beschimpfst dich dafür, es überhaupt zu haben, überlegst, warum du es wohl hast, und denkst dann so lange darüber nach, bis das, was du eben noch gefühlt hast, zum Gedanken geworden ist, den du getrost vergessen darfst. – Und genau da liegt dein Ur-Problem! Bevor du das nicht bewältigt hast, wirst du kein anderes bewältigen können, auch wenn es dir noch so klein und unbedeutend erscheint. Verstehst du mich, Eva?«
Ich verstand sie sehr genau, und obwohl mir das, was sie da gesagt hatte, absolut nicht behagte, wusste ich, dass sie mit jedem Wort Recht hatte. Vor allem aber verstand ich, was diese Frau von mir wollte.
»Und was will ich?«, fragte sie, nachdem ich das schroff geäußert hatte.
»Kleiner Finger – ganze Hand!«
»Bist du sicher?«
»Bombensicher. Als ich sterben wollte, da wollten Sie nur mein Leben retten. Aber jetzt, wo ich leben will, da soll ich dann auch gleich noch richtig leben, bewusst, mit aufgearbeiteter und verarbeiteter Vergangenheit.«
Daniela lächelte. »Du weißt doch, Eva: Mens sana in corpore sano! Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper!«
»Sit!«, fügte ich augenzwinkernd hinzu.
Sie war verblüfft. »Wie?«
»Mens sana in corpore sano sit! Es sei ein gesunder Geist in einem gesunden Körper! So lautet der Satz korrekt. Er ist ein frommer Wunsch, eine Hoffnung – kein Befehl!«
Dass ich meine Lateinkenntnisse einmal so formvollendet würde ausspielen können, hätte ich mir als Kind auf der Schulbank auch nicht träumen lassen. Daniela zollte mir Bewunderung.
»Wenn wir es schaffen, deine Psyche hinzubiegen«, sagte sie, »dann kann aus dir was werden.«
Ich drückte
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