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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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mein Vater begann, wieder ruhiger und gleichmäßiger zu atmen, und schließlich küsste er mich, sah mich an, strich mir die Tränen vom Gesicht.
    »Du bist schön«, sagte er, »für mich bist du das schönste Mädchen, das es gibt.«
    Sofort musste ich wieder weinen.
    »Aber nein, Eva … du wirst vielleicht nie wieder das werden, was du einmal warst. Aber glaube mir, … das ist das Beste, was dir passieren kann.«
    »Wie bitte?«, quetschte ich hervor.
    »Ja. Der Wert eines Menschen liegt doch nicht einzig und allein in seinem Körper.«
    »Wo denn?«
    Er musste lächeln. »Wenn du hier herauskommst, Eva, wenn du das schaffst, … dann hast du etwas in dir, was dich über all die anderen erhebt. Dann sei stolz, dann hast du Grund dazu!«
    »Und wenn ich nie wieder Haare kriege?«
    »Trägst du eine Perücke!«
    »Und wenn meine Haut nicht mehr besser wird?«
    »Schminkst du dich!«
    »Aber ich bin doch so dünn!«
    »Nein, Eva … die anderen sind alle zu fett!!!«
    Nun musste ich auch lächeln. Wie mein Vater das sagte, klang das alles so einfach, dass ich gleich wieder dieses ungute Gefühl verspürte.
    »Das ist aber nun mal so einfach«, sagte er, nachdem ich das geäußert hatte, »das Leben ist so einfach, Eva! In dieser Welt muss man lediglich wissen, was man will, und das muss man dann auch laut sagen. Es reicht nicht, wenn man wimmert, was man alles nicht will, wie du es lange Zeit gemacht hast. – ›Ich will nicht leben!‹ – ›Ich will nicht sterben!‹ – Das bringt nichts. ›Ich will leben!‹ musst du sagen, das musst du herausschreien. Verstehst du?«
    Ich nickte.
    »Dann tu es!«
    Damit hatte ich nicht gerechnet, und so war mir schlagartig ganz elend zumute. Drei kleine Worte galt es auszusprechen, doch gegen diese drei Worte sträubte sich alles in mir, auch jetzt noch. Ich konnte mich eben nicht entscheiden, solange es diesen Zweifel, dieses Geheimnis gab, und ich wollte mich auch nicht entscheiden, musste es aber. Das alles schoss binnen Sekunden durch meinen Kopf, und dabei fühlte ich mich wie eine Gejagte, die mitten auf einem Marktplatz steht, von der Menge bedroht wird und sich entscheiden muss, in welche Richtung sie flieht.
    »Eva …!! Kind …!«
    Die Stimme meiner Mutter holte mich sanft in die Wirklichkeit zurück. Bis zu diesem Augenblick hatte sie keinen einzigen Laut von sich gegeben, und eigentlich hatte ich ganz vergessen, dass sie auch noch da war. Jetzt stand sie plötzlich vor meinem Bett und lächelte mich verzweifelt an. Ihre Augen waren rot vom Weinen, und ihre Lippen zitterten, aber sie lächelte.
    »Ich habe dich so lieb!«, sagte ich, als ich sie so dastehen sah.
    »Ich habe dich auch sehr lieb«, antwortete meine Mutter. »Aber du musst jetzt zu dir kommen, Eva, du musst !«
    »Ich …«
    »Hab endlich die Kraft, diese Krankheit zu akzeptieren, und hab endlich den Mut, es mit ihr aufzunehmen, Eva! Bitte!«
    »Wie?«
    Sie atmete schwer und wiederholte es noch einmal, doch dadurch dröhnten die Worte nur noch mehr in meinen Ohren, denn sie erinnerten mich an etwas … Kraft … Mut … Möge Gott mir die Kraft geben, die Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Wie meine Mutter es jetzt gesagt hatte, war es aber mehr als das, ihre Worte beinhalteten schon die große Gnade … die Weisheit, zu unterscheiden …
    »Ich will leben!«
    Ohne dass ich es wirklich gewollt hatte, quollen diese Worte aus mir heraus, und während ich darüber erschrak, schlug meine Mutter die Hände vor das Gesicht, und mein Vater meinte: »Lauter, Eva!«
    »Ich will leben!!«, wiederholte ich.
    »Noch lauter!«
    »Ich will leben!!!«
    »Willst du es wirklich?«
    Niemals zuvor hatte ich mich so unsicher gefühlt wie in diesem Augenblick. Ich wusste nicht, ob ich wirklich wollte, was ich da versprochen hatte, ich wusste ja nicht einmal, ob ich es wirklich versprochen oder nur so dahingesagt hatte. Anders als mein Vater spürte das meine Mutter sofort. Sie schob ihn sacht zur Seite, setzte sich zu mir, griff nach meiner Hand und sah mich ruhig an.
    »Ich glaube, Eva, dein Vater hat alles gesagt, was zu sagen war«, erklärte sie, »nur … du darfst dir nicht einbilden, dass sich deshalb auf einmal alles ändert. Keinem von uns fällt das Leben in den Schoß, und jeder von uns ist hin und wieder verzweifelt. Nur … ich habe einmal einen Satz gehört, der für mich die Antwort auf alle Fragen war. Er hieß: Wir Menschen suchen alle

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