Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
Vom Netzwerk:
von wen du den Knall has!«, meinte sie.
    »Wieso?«
    »Na, dein Vatter hat ja wo auch en Sprung inne Schüssel. Und ers dat Mütterken!«
    »Findest du?«
    Claudia zweifelte an der Echtheit meiner Wandlung.
    »Du brauchs ebent ewig wat Neuet«, tönte sie. »Also, mach voran, Evken! Probier, watte probiern wills! Wird ma sowieso nich lange dauern!«
    Das verletzte mich sehr. Ich wusste schließlich selbst, wie sprunghaft ich in den vergangenen Monaten gewesen war. Jetzt ging es jedoch nicht mehr um eine Taktik, sondern um ein Ziel. Wenn ich wirklich leben wollte, musste ich auch etwas dafür tun. Da mir jedoch schleierhaft war, was ich tun sollte, drehte ich mich mit meinen Gedanken wieder einmal im Kreis.
    »Siehse!«, meinte Claudia dazu. »Et geht schon wieder los!«
    »Was geht los?«
    »Dat mit dat Grübeln, Eva!«
    »Ich müsste nur halb so viel grübeln«, ereiferte ich mich, »wenn du mir ein bisschen helfen würdest.«
    Mich traf ein vernichtender Blick. »Irre geb ich keine Tipps!«, erklärte sie dann, grabschte nach meinem Weihnachtsbäumchen und begann, die Kerzen aus dem Tannengrün zu rupfen.
    »Hast du etwas Besonderes vor?«, erkundigte ich mich nach einer Weile.
    »Mmh«, brummelte sie, »Kammerspiele.«
    »Und was ist das?«
    »Wachs fürn Wichs!«
    Obwohl ich an derartige solche Deftigkeiten längst von ihr gewöhnt war, konnte ich mir Claudias ablehnende Haltung nicht erklären. Ich hätte zwar nur einen Hauch von Einfühlungsvermögen gebraucht, um zu verstehen, dass sie einfach nur traurig war, nicht die gleiche Chance vom Leben zu bekommen, wie ich sie bekam, dass sie fürchtete, ihren Einfluss auf mich zu verlieren … aber diesen Hauch von Einfühlungsvermögen besaß ich nun mal nicht. Ich sah in dieser so entscheidenden Phase meines Lebens nur mich und meine Probleme. Ich musste einen Weg finden, mit mir zurechtzukommen, ich musste einen ersten selbstständigen Schritt wagen.
    Also wandte ich mich an Daniela. Aber die ließ sich ständig durch ihre Sekretärin entschuldigen, schien nie Zeit zu haben, bis ich endlich am 15. Januar 1977 einen Termin bei ihr bekam. Das lange Warten hatte meinen Nerven nicht unbedingt gut getan. Zu ausgiebig hatte ich über alles nachdenken können, zu oft hatte ich mir vorgestellt, wie ich Daniela meine Wandlung erklären wollte. Deshalb war mein Kopf nur noch leer, und ich zitterte vor lauter Aufregung.
    Daniela bemerkte das sofort, tat aber so, als würde sie es nicht bemerken. Überhaupt erschien sie mir fremd nach all der Zeit, die wir uns nicht gesehen hatten, und das lag nicht zuletzt an ihrer Aufmachung. So wie sie an diesem 15. Januar 1977 aussah, so hatte sie schon einmal ausgesehen. Schon einmal hatte sie diesen wadenlangen Tweed-Rock getragen und die weiße Bluse. Schon einmal hatten ihre Füße in schwarzen Pumps gesteckt, war das lange Haar zu einem Zopf geflochten gewesen … damals, als sie mir meine Sehnsucht nach der Wahrheit entlockt hatte. Ich konnte mir also denken, dass sie für unser heutiges Gespräch einen ähnlich dramatischen Verlauf erwartete, und das hob meine Stimmung nicht gerade.
    »Du wolltest mich sprechen?!« Danielas Stimme klang spröde wie nie zuvor. Scheinbar entspannt saß sie hinter ihrem Schreibtisch und sah mich an. Sofort fühlte ich mich verunsichert, wäre am liebsten auf und davon gelaufen. Dass ich trotzdem blieb, verwunderte mich selbst.
    »Ich … äh …«, hörte ich mich stammeln, »… ich … mmh … ich … ich will leben!«
    Ich bildete mir ein, damit alles gesagt zu haben.
    »Wie bitte?«, fragte Daniela nach, als hätte ich arabisch gesprochen.
    »Ich will leben!«, wiederholte ich.
    »Ach so!«
    Auf eine derartige Reaktion war ich nicht gefasst gewesen, und sie verletzte mich. Das entging Daniela natürlich nicht, und sie quittierte es mit einem zynischen Grinsen.
    »Tut mir Leid«, sagte sie dann, »aber für den Fall, dass du mir damit einen Sinneswandel signalisieren willst … lächerlich!«
    Es hätte nicht mehr viel gefehlt, und ich wäre in Tränen ausgebrochen. Nur mühsam beherrschte ich mich.
    »Warum sagen Sie so etwas?«, flüsterte ich stattdessen.
    Daniela atmete schwer. »Ganz einfach«, antwortete sie dann, »weil ein solcher Sinneswandel etwas von religiöser Euphorie hat.«
    »Wie?«
    »Ja. Unsere Eva, gestern noch von einer Vielzahl erfindungsreicher Teufelchen besessen, hat eine Vision gehabt. Und deshalb ist unsere Eva jetzt plötzlich von Scharen gutwilliger Engelein beseelt.

Weitere Kostenlose Bücher