Zwei Frauen: Roman (German Edition)
meine Zigarette aus und schaute sie mit großen Kinderaugen an.
»Können Sie mir das versprechen?«, fragte ich.
»Ja.«
»Dann bin ich einverstanden.«
»Womit?«
»Mit der Therapie!«
»Aber –«
»Ich wollte immer schon, dass aus mir was wird!«
Daniela mochte es kaum glauben. Mit offenem Mund saß sie da und sah mich an. Vermutlich hatte sie mit einer mehrstündigen Debatte gerechnet, mit Rede und Gegenrede. Dass ich so schnell einlenkte, schien ihr wohl ein Geschenk des Himmels zu sein, dem sie allerdings noch nicht traute.
»Ist das dein Ernst?«, vergewisserte sie sich noch einmal.
Ich nickte. »Ich tu es allerdings nur unter einer Bedingung!«
»Ich lasse mich nicht erpressen, Eva.«
»Unter einer Bedingung!«, blieb ich hart.
»Und unter welcher?«
»Sie haben mir vor langer Zeit mal angeboten, du zu Ihnen zu sagen … gilt das noch?«
Daniela starrte für einen kurzen Moment, dann begann sie zu lächeln und hob den Zeigefinger.
»Glaub aber ja nicht, dass ich es dir deshalb leichter mache!«, witzelte sie.
In früheren Jahrhunderten starb so mancher »Ehrenmann« im Duell. Man wählte die Waffen, ob nun Degen oder Pistole, traf sich im Morgengrauen außerhalb der Stadt, und während die jeweiligen Sekundanten seelischen Beistand leisteten, gingen die beiden Streithähne aufeinander los, bis zumindest einer von ihnen verendet am Boden lag. Ich war mir sicher, dass es zwischen Daniela und mir ähnlich ausgehen würde. Ich dachte nämlich von Anfang an nicht einmal im Traum daran, zu meinem Wort zu stehen und eine Therapie zu machen. Dazu hatte ich mich nur bereit erklärt, um Daniela auf meine Seite zu bringen. Als Schuttablade-Platz für meine Problemchen wollte ich sie benutzen, meine Probleme wollte ich jedoch auch weiterhin für mich behalten. Ich hatte diese Frau zurückerobert, und wenn auch mein abschließendes Versprechen eine Lüge gewesen war, so hatte ich doch all das andere, was ich zuvor gesagt hatte, ernst und ehrlich gemeint, und das hatte Daniela auch gespürt. Deshalb durfte ich jetzt damit rechnen, dass sie binnen weniger Stunden die gesamte Belegschaft über das Ergebnis unserer Unterredung informierte. Das war so üblich. Ich nannte das »stille Post« und war zum ersten Mal dankbar dafür, dass es dieses mysteriöse Medium gab. So machte ich mich gleich am nächsten Morgen frohen Mutes auf zu Professor Mennert.
In Mennerts Büro sah’s aus wie im Ausstellungsraum eines Antiquitätenmuseums, denn das Mobiliar war ein Streifzug durch die Jahrhunderte, und im ersten Moment glaubte ich, sie förmlich riechen zu können, die gute alte Zeit, Renaissance und Biedermeier, Barock und Jugendstil, sie waren vereint in diesen vier Wänden, in deren Mitte das Prunkstück stand, ein herrlicher Schreibtisch, eine Reminiszenz an das Viktorianische Zeitalter.
Dahinter saß Mennert, der mich erwartet zu haben schien. Die »stille Post« über Daniela hatte also bestens funktioniert.
»Guten Morgen, Herr Professor!« Meine Stimme klang wie das Rascheln brüchigen Pergaments. Mennert runzelte die Stirn, atmete tief.
»Tja, Eva … dann nehmen Sie mal Platz!«
»Danke!«
Ich setzte mich in einen der schweren erdfarbenen Ledersessel, die um den Schreibtisch gruppiert standen, und dabei klopfte mein Herz so heftig, dass ich glaubte, es müsste zerspringen. Auch waren meine Hände ganz feucht, und der Kloß in meinem Hals wurde mit jedem Atemzug dicker. Ich hatte eben Angst, schlicht und ergreifend Angst.
Mennert saß nur da und sah mich an und schwieg, und in seinem Gesicht regte sich nichts.
»Von mir aus wäre ich nie zu Ihnen gekommen«, sagte er dann, »aber nun … wo Sie von sich aus zu mir gekommen sind …«
»Ich habe so manches gelernt, Herr Professor.«
»Hoffentlich!«
»Bestimmt!«
Er schmunzelte. »Gut, … dann … ich halte nicht viel von Vorwürfen und Rechtfertigungen … lassen wir die Vergangenheit also ruhen!«
Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Ich war sicher gewesen, Mennert würde für alles, was ich in den letzten Wochen und Monaten verbrochen hatte, eine Erklärung und eine Entschuldigung verlangen. Ich dankte Professor Mennert für sein Verständnis, entschuldigte mich dennoch in aller Form für mein bisheriges Verhalten und vergeudete alsdann keine weitere Zeit. Ich fragte, wie es mit mir denn jetzt wohl weiterginge.
Mennert seufzte. »Es war fünf Minuten vor zwölf«, erklärte er mir, »fast zu spät. Trotzdem haben wir es geschafft,
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