Zwei Frauen: Roman (German Edition)
meine Situation damit eingeschätzt hatte, wurde mir erst allmählich klar. Ich klammerte mich da an einen Traum, dessen Erfüllbarkeit ausschließlich von Faktoren abhing, die außerhalb meiner Kontrolle lagen. Nicholas liebte nun mal diese Isabelle und nicht mich, und daran konnte ich nichts ändern. Selbst wenn er sich von ihr trennen würde, hieß das noch lange nicht, dass er sich auch in mich verliebte, denn dazu konnte ich ihn nicht zwingen. Ich konnte also wirklich nichts weiter tun, als zu warten, zu hoffen, mich zu sehnen, und somit zu leiden. Trotzdem tat ich das, wochenlang, und es füllte mich sogar aus. Meine Leidensfähigkeit schien schier unerschöpflich zu sein, und weil das so schien, kam ich mir auch noch vor wie eine ganz besonders »gute« Frau.
Eines Nachmittags änderte sich das schlagartig. Ich besuchte Hilary in ihrer Wohnung und las durch Zufall einen Spruch, der eingerahmt in ihrem Schlafzimmer hing:
»Männer sind wie Alkohol«, hieß es da, »auf sie zu verzichten, ist Askese, die verbittert; sie zu genießen, ist Lebensart, die den Alltag erhellt; von ihnen abhängig zu werden … ist Schwachsinn!«
Ich musste diese Worte mehrmals lesen, um sie wirklich zu begreifen, um sie auf mich zu übertragen und damit zu erkennen, dass ich schon lange abhängig war von Nicholas. Ich war also keine ganz besonders »gute«, sondern eine ganz besonders »schwachsinnige« Frau, und wenn ich mein Leben nicht mit formschönem Leiden vergeuden wollte, dann …
»… musst du etwas ändern!«, redete Hilary mir ein.
»Was denn?«, hakte ich kleinlaut nach.
»Alles!«
»Wie denn?«
Hilary stöhnte nur über so viel Dummheit und hielt mir einen langen Vortrag darüber, dass andere Mütter auch schöne Söhne hätten.
»So einen musst du dir auftun, Eva!«
»Und dann?«
»Bringst du ihn dazu, dich über diese Einbahnstraße Nicholas hinwegzutrösten.«
»Aber ich liebe Nico –«
»Das redest du dir nur ein!«
»Nein!«
»Komm zu meiner nächsten Party, Eva, dann wirst du sehen, dass du dir das nur einredest.«
Ich überlegte eine ganze Weile. »Wann ist die denn?«, wollte ich dann nur noch wissen.
»Am Samstag!«, erwiderte Hilary.
»Da habe ich aber Vorstellung.«
»Macht doch nichts. Kommst du eben hinterher. Und hör um Himmels willen auf …«
Ich bekam noch jede Menge guter Ratschläge, und da Hilary ja so sehr viel erfahrener war als ich, tat ich auch so, als würde ich jeden dieser guten Ratschläge ernst nehmen. In Wirklichkeit hielt ich sie allesamt für brutal, herzlos und nicht umsetzbar. Ich war schließlich keine Maschine, die ihre Gefühle heute dem und morgen dem schenken konnte.
Um nun aber nicht wie eine gefühlsduselige alte Jungfer dazustehen, nahm ich mir dennoch vor, zu Hilarys Party zu gehen. Dort, an Ort und Stelle, wollte ich ihr beweisen, dass kein anderer Mann Nicholas’ Platz in meinem Herzen einnehmen konnte und meine Liebe zu ihm doch etwas ganz Besonderes war.
So war ich an jenem Samstagabend erst mal bester Laune. Mein schönstes Kleid hatte ich an, und ich konnte mich später noch genau erinnern, dass ich auf dem Weg zum Theater keinen einzigen Gedanken an die »Routine-Vorstellung« verschwendete, die vor mir lag. Ich dachte nur an das, was danach kommen würde, an Hilarys Party, an diese erste richtige Party meines Lebens. Dass alles ganz anders kommen sollte, ahnte ich erst, als ich das Theater betrat.
»Ah, da ist sie ja!«, begrüßte mich der Pförtner, der sich bis dahin angeregt mit einem unserer Garderobiers unterhalten hatte.
Sofort glaubte ich, spät dran zu sein.
»Nein, nein!«, beruhigte er mich. »Wir wollten Sie nur vorwarnen.«
»Wieso?«
»Na ja, … Ihr Partner …«
»Isabellchen war gerade da«, unterbrach ihn der Garderobier, »mit ihrem Galan.«
»O Gott!«, entfuhr es mir.
»Das können Sie laut sagen! Die haben da was angerichtet. Die haben sich nicht mal die Mühe gemacht, das alles ein bisschen zu verpacken. Methode Keulenschlag haben die –«
»Und Nicholas?«, fiel ich ihm ins Wort.
Die beiden Männer sahen einander kurz an und meinten dann im Chor: »Deshalb wollten wir Sie ja vorwarnen!«
Nun, das war ihnen gelungen. Ich rannte in die Garderobe und warf alles von mir, und dabei konnte ich nur noch an Nicholas denken. Was geschehen war, kam mir vor wie ein Fingerzeig Gottes. Nicht irgendeinem Manne war ich bestimmt, sondern dem Mann, den ich liebte, den ich trotz allem nie aufgehört hatte zu lieben. Es war also
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